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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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...«
    Sie brach ab und eilte zur Tür. Bevor Columba sie zurückhalten konnte, war sie hinaus und die beiden allein. Allein! Was fiel ihrer Magd nur plötzlich ein?
    »Ich brauche dich als Boten nicht«, fuhr Columba den jungen Mann an, »ich war gestern selbst bei Tringin. Verzeih, wenn ich nun gehe, aber mein Bräutigam erwartet mich.«
    Lazarus machte einen Schritt nach vorn, leise klirrten seine Sporen auf den Fliesen. »Deine Verlobung macht fürwahr rasche Fortschritte. Erst war er nur ein vornehmer Mann, dann dein künftiger Verlobter und nun ist er schon dein Bräutigam. Meinst du nicht, du solltest den jungen Mann zunächst von seinem Glück unterrichten? Vielleicht würde er gerne selber den Antrag machen. Ich glaube, auch in Köln ist es so Sitte, nachdem die Eltern sich geeinigt haben.« Wieder kräuselte sich sein Mund zu einem Lächeln.
    Columba machte einen weiteren Schritt zur Tür. Der junge Mann verstellte ihr mit einer raschen Drehung den Weg.
    »Laß mich!« zischte Columba.
    »Du läufst in dein Unglück, wenn du diesen Tölpel heiratest. Und sag mir nicht, daß du eine so gehorsame Tochter bist, daß du dir eine Ehe aufzwingen läßt, die nur Unglück bedeutet.«
    »Er ist kein Tölpel.«
    »Er muß einer sein, wenn er glaubt, ein törichtes Kind wie du wäre sein Glück.«
    Columba prallte zurück, was sollte diese Beleidigung? Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung, und Lazarus verschloß ihn mit einem harten, fast schmerzhaften Kuß, bis Columba nachgab und ihn – einem plötzlichen Rausch nachgebend – erwiderte.
    Stille folgte, beide atmeten sie gierig ein.
    »Liebst du den Freiherrn noch?« fragte der Mann endlich spöttisch. Der hochmütige Spott verletzte das Mädchen mehr, als sie sich einzugestehen wagte.
    »Ich liebe niemanden«, gab Columba wütend zurück, »und ganz sicher nicht dich.«
    »Mehr wollte ich nicht wissen«, sagte Lazarus. »Verrate es nur deinem Verlobten nicht, albernes Kind.«
    Columba packte den Türriegel. Der junge Mann legte seine Hand auf ihren ausgestreckten Arm.
    »Eins noch. Tringin ...«
    » ... ist wohlauf und erholt sich prächtig, ich sagte schon, als Bote brauche ich dich nicht.« Sie riß die Tür auf und warf den Kopf in den Nacken.
    »O ja, sie erholt sich prächtig«, rief Lazarus, »für den Henker. Luthger und sie werden noch diese Woche dem Hohen Geistlichen Gericht übergeben. Birckmann hörte es im Rat.« Die Tür fiel ins Schloß.
    Bleich und zitternd starrte Columba hinter sich, wo eben noch Lazarus’ Gesicht zu sehen war. Das Hohe Gericht! Warum hatte Tringin ihr nichts davon gesagt? Warum sich ihr nicht anvertraut? Weil du ein albernes Kind bist, antwortete eine höhnische Stimme in ihrem Kopf.
    Sie biß sich auf die Lippen, ob Lazarus einen Ausweg wußte? Nein, nicht er, er hatte zu häßlich über sie gelacht, er war unverschämt, anmaßend und selbstverliebt. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Mund – weg mit diesem ekelhaften Kuß.
    Schritte bei der Tür zum Hof. Der Dürre. »Solltet Ihr nicht im Garten sein?« fragte er, wie nur ein Spitzel fragen kann. Der Freiherr! Columba eilte davon.
    11
    E r hatte nicht einmal gelächelt, als sie sein Meßgewand wie unabsichtlich mit der Hand gestreift hatte. Juliana betrachtete sich – ausnahmsweise – ohne Wohlwollen in ihrem Spiegel. Sie nahm ein silbern eingefaßtes Zahntuch aus Leinen und rieb mit heftigen Bewegungen ihre Zähne, bis sie perlmuttfarben schimmerten. Stumm löste Melina den schwarzen Spitzenschleier aus ihrem Haar und begann zitternd, es zu bürsten. Die Bürste verfing sich in einem Lockennest.
    »Ungeschickte Metze!« fuhr Juliana sie an und schlug nach ihr. Das schwarze Mädchen empfing die Ohrfeige still. Ihre einzige Waffe gegen den Unmut der Herrin war ihr Schweigen und keine Tränen. Juliana erhob sich von ihrem gepolsterten Schemel und rauschte zu ihrem Bett. Wütend warf sie sich in die seidenen Decken und griff nach einem Kissen. »Ich werde ihn sehen, noch heute nacht. Ohne dich, hörst du?«
    Die Magd nickte. Julianas Zorn vertiefte sich. Sie erkannte, daß Melina bei ihr und ihm sein würde, auch wenn sie abwesend war. »Was hat er zu dir in jener Nacht gesagt?«
    »Er sprach von der Liebe des Herrn. Wie immer.« Sie senkte den Blick. »Und von der Eifersucht.«
    Juliana riß einen pelzbesetzten Pantoffel von ihrem Fuß und warf ihn nach ihr. Dumpf fiel er zu Boden.
    »Eifersüchtig, ich? Auf eine wie dich! Er wagte es nur nicht, mich so plump

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