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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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anzugehen, wie er es mit einer Magd machen kann.« Wieder schwieg Melina.
    »Wann, sagte er, will er die nächste Versammlung halten?«
    Melina zögerte. »Davon sagte er mir nichts.«
    Juliana nickte. »Du siehst, er sehnt sich nicht nach dir, er sucht deine Gesellschaft nicht. Hole mir mein weißes Kleid, das mit dem Atlasmieder und den perlenbesetzten Samtärmeln.«
    »Herrin!« rief die Magd entsetzt. »Es herrscht Trauer in diesem Haus, Ihr könnt kein Weiß tragen. Nur Königinnen trauern in dieser Farbe. Und Ihr könnt unmöglich zu ihm gehen. Ihr würdet ihn und uns alle verraten.«
    »Willst du es mir verbieten?« Juliana stützte den Kopf auf ihre Rechte und betrachtete Melina verächtlich. »Ich sehe es genau, die Eifersucht liegt in deinem Blick. Könnte er dich nur so sehen, wie ich dich sehe. Ich habe ihm das verlangte Opfer gebracht, während du seine Hure warst.«
    »Das war ich nicht! Er hat mich nicht zu seiner Braut gemacht. So glaubt mir doch!«
    »Ich habe getötet, und ich könnte es wieder tun.«
    Melina nahm all ihren Mut zusammen, denn das Gespräch begann sie zu entsetzen. »Sprecht nicht so, ich bitte Euch, ich weiß, daß Ihr es nicht getan habt. Ihr selbst nennt Eure Schwester die Mörderin, obwohl auch das nicht wahr sein kann.«
    Juliana lachte. »Weshalb nicht? Wenn ich einen zweiten Menschen opfern kann, so muß es dem Diakon doch noch besser gefallen.« Sie genoß mit boshafter Grausamkeit das ehrliche Grauen ihrer Magd. »Was hingegen hast du ihm dargebracht? Er sucht nach größeren Mysterien, nach einer Göttin, die so zärtlich wie grausam ist. Er will eine Liebe, die über den Tod erhaben ist. Ich verstehe seine Worte, ich allein.«
    Melina betrachtete das weiße, schöne Gesicht, das wie gemeißelt war, und fror. »Herrin«, begann sie tonlos, »Ihr irrt. Das Opfer, das er von uns, seinen Engel erwartet, ist unser eigener Tod. Das meint er mit dem größten Opfer. Wir selbst sind die Wesen, die wir am meisten lieben. Seine Sehnsucht geht auf den eigenen Tod, darin sollen wir uns mit ihm vermählen. In Ewigkeit. Darum hat er uns erwählt. Und ich will ihm folgen, auch wenn ich nicht der Erste Engel in seiner Schar bin.«
    Juliana schwieg einen Moment. Dann lachte sie gellend. »Niemals würde er das von mir verlangen! Mich töten! Aber von mir aus, töte dich. Nur zu! Ich werde ihm von deiner entsagenden Liebe berichten. Wußte ich doch, daß eine Närrin wie du seiner nicht würdig ist.« Wieder lachte sie, erleichtert, befreit, selig fast.
    12
    I ch hoffe, daß mein Tod niemanden zu einem solchen Lachen reizt.« Sie starrten hinauf zu dem offenen Fenster im zweiten Stockwerk des Hauses, das eine schwarze, schlanke Hand eben schloß. Der Freiherr schüttelte mißbilligend den Kopf und riß einen kahlen Ast von einem Strauch. »Bei Gott, ich kann einen Scherz vertragen, aber ein so häßliches Lachen habe ich in einem Trauerhaus selten vernommen. Wäre sie meine Tochter, ich würde sie hiermit zum Weinen bringen.«
    Columba sah ihn von der Seite an. Wirklich hübsch war der Freiherr nicht, aber ob er beim Küssen kunstfertig war?
    Er hob den Kopf und lächelte sie gutmütig an. Wie wohl das tat. Sie faßte Vertrauen und ein Herz. »Junker Fritjof, man sagt, daß in den Niederlanden die Hälfte der Leute es mit den Ketzern hält, was ist wahr daran?«
    Der Junker setzte ein verschmitztes Lächeln auf. »Habt Ihr Angst, mir in ein Land voller Abtrünniger zu folgen? Fürchtet Euch nicht, einige Arme sind von der Schlichtheit des Evangeliums angetan, die meisten aber sind gute Katholiken wie ihr in Köln. Wir sind fröhliche, lebenslustige Menschen.« Er pausierte kurz, um einen Apfelbaum zu inspizieren. »Der Sünde zugeneigt, im Fleische schwach, um es genau zu sagen, und darum bei den Katholiken besser aufgehoben, die Buße und Begnadigung kennen.«
    Seine unbekümmerte Offenheit in Fragen der Religion gefiel und ermunterte Columba. »Was haltet Ihr selbst von den Ketzern?«
    Der Junker stupste sie neckisch mit dem Zweig an. »Wollt Ihr wissen, ob ich einer bin? Nun, einer Inquisition durch eine so hübsche Richterin kann ich nicht widerstehen.« Er ließ seine dicklichen Finger über ihren Arm bis in ihren Nacken galoppieren. Es kitzelte, und Columba lachte.
    »Mir sind Ketzer vollkommen gleichgültig. Genau wie die Pfaffen auch. Unter beiden gibt es liederliches Pack. Gott allein vertraue ich mein Seelenheil an. Und den Leib ...«, er blickte ihr tief in die Augen und grinste,

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