Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Regungen verbarg van Geldern gut, nur ein genauer Beobachter hätte das forschende Glitzern in seinen Augen erkannt. Lazarus war einer von ihnen, doch er schwieg und wartete mit ganz unbeteiligtem Gesicht.
»Wie ich hörte«, sagte van Geldern schließlich, »habt Ihr meiner Tochter vor wenigen Tagen einen Gefallen getan. Bei der Alten Mauer am Bach.«
»Es war nichts«, gab Lazarus zurück und betrachtete das Schreibzeug aus fein ziseliertem Silber, das Tintenfaß mit den verschlungenen Schriftzügen darauf und das Papiermesser, während der Kaufmann enttäuscht den Versuch aufgab, sich an den Ort und die Zeit zu erinnern, da er diesem oder einem ähnlichen Mann schon einmal begegnet war.
»Es war hilfreich genug«, antwortete Arndt van Geldern und fügte floskelhaft hinzu: »Wenn ich etwas für Euch tun kann, sagt es mir.« Dann streckte er die Hand nach den Briefen aus. Lazarus war entlassen, doch er ging noch nicht.
»Euer Angebot nehme ich gerne an. Mir liegt daran, eine Weile in Köln zu bleiben.«
Van Gelderns Hände zuckten zurück. Köln? Was wollte dieser Kerl in Köln? »Dann seid mein Gast«, sagte er gezwungen.
»Vielleicht könnte ich mehr sein. Ich bin im Haushalt eines Kaufmanns großgeworden, habe auch ein wenig Juristerei studiert und mich bei Don Cristobal mit den europäischen Geschäften vertraut gemacht. Die Stelle eines Fakturisten würde mir gefallen.«
Unruhe stieg in van Geldern hoch. »Ich bitte Euch, ein Philosoph wie Ihr! Dazu der Vertraute des spanischen Finanzsekretärs. Was sollte ich Euch dagegen zu bieten haben?« Er prüfte Lazarus mit kaltem Blick – der junge Mann schien arglos.
»Die Philosophie, werter Kaufherr, ist eine schöne Kunst, doch leider nicht sehr einträglich, wenn man sie nicht nach den Wünschen der Herrscher verbiegt und betreibt. Den Dienst bei den Spaniern habe ich quittiert. Ihr Sold ist schlecht und kommt nur unregelmäßig.«
»Ihr tragt ihre Uniform.« Der Hausherr unternahm einen letzten Versuch.
»Ich werde sie mit Freuden ausziehen.«
Der Kaufmann spürte wieder seine Steine. Das Blut wich aus seinem Gesicht. Lazarus sprang geschmeidig auf, um ihm zu Hilfe zu eilen. Der Automat ließ den Degen herabsausen, Lazarus fegte ihn mit einem Handkantenschlag beiseite, scheppernd ging der hohle Kerl zu Boden. Lazarus kniete neben dem Kaufmann, dessen Gesicht von Schmerz entstellt war. Seine knochigen Hände umkrallten die Lehnen seines Sessels im Krampf. Mit Abscheu betrachtete er den jungen, kraftvollen Mann.
»Weg«, stöhnte er, »bleibt weg.« Er atmete heftig, endlich fiel der Schmerz wie ein Flamme in sich zusammen, brennende Wut nahm seinen Platz ein. »Ich bin dem Grab noch nicht so nah, daß ich des Mitleids bedarf«, sagte er, und Lazarus stand auf, ging um den Tisch herum und nahm wieder Platz.
»Eine Stelle als Fakturist wollt Ihr also haben? Nun gut, ich werde darüber nachdenken. Kennt Ihr England?«
»Ja, ich war bereits dort.«
»Ich habe Außenstände in London, die es zunächst zu sichten und zu prüfen gilt; es könnte eine Reise vonnöten sein, sobald das Wetter eine Überfahrt erlaubt.« Etwas in der Stimme des Mannes ließ Lazarus aufhorchen, etwas darin klang nach Gefahr.
»Mit Verlaub, persönliche Geschäfte zwingen mich, für eine Weile in Köln zu bleiben. Dringende Angelegenheiten. Danach reise ich gern.«
Die Augen van Gelderns verengten sich – saß er einmal mehr einem Erpresser gegenüber?
»Wir werden sehen«, sagte er schließlich matt, »einstweilen seid Ihr mein Gast. Ich werde das Gesinde anweisen, ein Zimmer für Euch herzurichten. Wenn es recht ist, unter dem Dach, wo die anderen Angestellten Wohnung haben.«
Der junge Mann nickte. »Gewiß, ich möchte wie jeder andere behandelt und bezahlt werden.«
»Dann holt Eure Sachen, Euer Gepäck, Euer Pferd, ich werde die Briefe alleine studieren, da Ihr ja nun keine Antwort mehr an Don Cristobal weiterleiten werdet.«
Lazarus verneigte sich und verließ das Zimmer. Wenig später schlüpfte der Dürre herein. »Nun?« fragte er.
»Finde heraus, wer der Mann ist. Ich muß alles über ihn wissen, was zu erfahren ist. Egal um welchen Preis.«
»Wenn ich noch einmal an die Sache mit der Begine Anna erinnern darf?« Der Dürre leckte sich die trockenen Lippen. »Vielleicht solltet Ihr sie einmal selbst empfangen.«
»Störe mich nicht länger, ich habe Wichtigeres zu tun.«
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D u bist ja toll, Mädchen, nie im Leben habe ich etwas Derartiges gesagt! Willst du
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