Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
Vom Netzwerk:
mich auf das Schafott bringen?« Der Freiherr schüttelte heftig den Kopf, als säße ihm Wasser in den Ohren. »Schlag es dir aus dem Kopf.«
    Columba wich ängstlich zurück, ganz rot war das Gesicht des Junkers vor Wut. »Eine überführte und angeklagte Ketzerin aus einem Gefängnisturm befreien! Nur weil du eine Partie Schlittschuh mit ihr gelaufen bist. Wann hat man je so etwas Unsinniges gehört. Wenn ich das deinem Vater erzähle ...« Müßte der die Mitgift kräftig erhöhen, schoß es ihm durch den Kopf, und er verstummte, um genauer darüber nachzudenken.
    Das Mädchen umklammerte mit den Händen den steinernen Rand des Brunnens, der in der Mitte des Gartens stand. Der Junker sollte nicht sehen, daß sie zitterten. Sie hatte einem Maulhelden und Hallodri vertraut. Einem, dessen Mut so lau wie seine nassen Küsse waren. Sie schlug die Augen nieder vor Scham. Tringin war verloren, doppelt verloren und verraten durch ihre Unvorsichtigkeit.
    Fritjof sah ihre plötzliche Demut mit Wohlgefallen. »Ah, ich merke, daß du deinen Fehler erkennst. Dein Erröten bekommt dir. Ich will dir den ganzen Unsinn verzeihen, wenn du schwörst, nie wieder von so etwas zu reden.«
    Columba hielt den Blick gesenkt und atmete erleichtert auf. Der dralle Flame hatte in seiner gutmütigen Dummheit den Ausdruck von Schuld in ihrem Gesicht falsch verstanden und ihr dabei einen Ausweg gewiesen. Mädchenhaft scheu nickte sie und sah ihn mit großen, bewundernden Augen an. »Ich danke dir, du bist ein so kluger Mann. Verzeih mir meine falschen Gedanken.«
    »Gedanken! Weibische Launen waren’s. Zuviel Wasser im Leib, darum auch die ständigen Tränen, das schwanke Gemüt, ganz wie Albertus Magnus schon schrieb. Das Weib ist aus dem Sumpf geboren. Ich kenne mich aus«, brauste der Junker noch einmal auf. Wenn er jetzt nachlässig war, würde sie ihm später auf der Nase herumtanzen.
    Columba unterdrückte alle Anzeichen ihres aufkeimenden Ärgers und trat näher an ihn heran.
    »Lieber Fritjof, ich bedarf deiner Führung und Anleitung. Du bist von so klarem Verstand. Es wäre schrecklich, wenn unser heiliger Bund in Gefahr wäre, nur weil du meinem Vater von meinen Torheiten erzählst. Er könnte auf die Idee kommen, mir eine Ehe zu verbieten und mich statt dessen zur ewigen Läuterung in ein Kloster sperren. Er ist in Glaubensdingen unduldsam.«
    Sie zwang sich, an Tringins Unglück zu denken, und endlich fühlte sie die rettenden Tränen aufsteigen.
    Weinende Mädchen! Verfluchter Weiberkram. Der Junker trat mit den Stiefelspitzen gegen die Brunnenmauer. »Ich werde es mir überlegen«, brummte er.
    Columba sank an seine Brust und legte ihre Arme um seinen dicken Leib. Der Junker schaute halb verlegen, halb lüstern auf sie hinab. Ihm hatten die Küsse gut geschmeckt. Er legte seine rechte Hand unter ihr Kinn und zog ihr Gesicht ganz nah an seines heran.
    Nur das nicht wieder! Columba löste sich aus der Umarmung, schürzte die Röcke und sauste davon. Es war ihr unmöglich, sich länger zu beherrschen, ganz schlecht war ihr.
    Kopfschüttelnd sah ihr der Junker nach. Wegen der Mitgift mußte er noch einmal ernstlich mit sich zu Rate gehen. Liebe war ein anstrengendes Geschäft. Von plötzlichem Hunger geplagt, machte er sich auf den Weg in die Küche.
    Columba flog die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf, je zwei Stufen auf einmal nehmend, und prallte mit Lazarus zusammen, der eben das Zimmer des Kaufmanns verlassen hatte.
    »So stürmisch? Treibt dich wieder die Leidenschaft für deinen Verlobten?«
    »Geh mir aus dem Weg«, schimpfte sie und entlud dabei all den eben unterdrückten Zorn.
    Lazarus trat zur Seite. »Spricht so eine verliebte Braut? Hat er sich nicht zu einem Antrag bequemt? Hast du ihn mit deiner unbändigen Zuneigung bedrängt?«
    Sie nahm wortlos die nächste Stufe, doch plötzlich hielt sie inne. Sollte sie es ein zweites Mal wagen?
    Sie drehte sich langsam um und betrachtete den Bartlosen. Sein leicht vorspringendes Kinn verhieß Entschlossenheit, die schwarzen Augen verrieten den Mann, der Geheimnisse zu wahren und zu entschlüsseln vermochte, allein dieser überhebliche, selbstherrliche Mund war abstoßend.
    »Wegen Tringin«, begann sie schließlich zögernd.
    »Nicht hier«, unterbrach er sie warnend, den Blick über ihre Schultern auf die Galerie geheftet.
    Sie nickte und schaute sich kurz um. »Ich werde Euch ans Tor begleiten«, sagte sie laut und fest, als spräche sie für ein Publikum. An seiner Seite

Weitere Kostenlose Bücher