Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
»meinem Täubchen, wenn ich Euch so nennen darf.«
Columba schlug seine vorwitzige Hand von ihrem Arm, das Täubchen behagte ihr nicht, aber sie verzieh es. Kosenamen, so nahm sie an, gehörten zur Liebe.
»Wenn Euch die Fragen der Religion so gleichgültig sind, so seid Ihr bestimmt kein Freund grausamer Verfolgungen, nicht wahr?«
Fritjof zuckte die Achseln und warf einen bedauernden Blick auf den kahlen Apfelbaum. »Was sein muß, muß sein. Und die meisten die sterben, sind ohnehin unnütze Starrköpfe, Störenfriede und Hungerleider.«
Vor nicht allzu langer Zeit hätte Columba ihm herzlich beigestimmt, schon darum, weil man in Köln seit Luthers Thesenanschlag nur wenige Ketzer gerichtet hatte, und diese nur, weil sie tatsächlich starrköpfig gewesen waren und für gärende Unruhe gesorgt hatten.
Das Mädchen drehte dem Freiherrn den Rücken zu, um ihre Unruhe zu verbergen.
»Und wenn es sich nicht um Starrköpfe handelt, wie fühlt Ihr dann? Es heißt, die Spanier verfolgen ohne Rücksicht in Eurem Land.«
»Freilich, die Spanier treiben es etwas zu weit, sie brennen die Leute wie Kerzen ab. Eine würdig gestaltete Hinrichtung laß ich mir gefallen, sie erschüttert die Seele und reinigt das Gemüt, aber sie lassen wahllos sogar schwangere Frauen lebendig begraben. Es gilt als milde Strafe und ziemlich, da der Wind beim Hängen die Röcke der Weiber blähen und heben könnte. Ich nenne es eine Barbarei, wenn ich nur an das Wimmern dieser Weiber denke ...«
Columba erschrak und zitterte heftig. Fritjof legte zart seine rechte Hand auf ihre Schulter, sie wehrte sich nicht, er faßte sie fester und zog sie zu sich herum. Fast flehend blickte sie ihn an, der feiste Freiherr schaute verlegen in ihre tränennassen Augen. Nicht nur wimmernde Weiber dauerten ihn, ein weinendes Mädchen, das war fast noch unerträglicher. Überhaupt war dieses Gespräch für seinen Geschmack merkwürdig ernst.
»Wenn Ihr eine solche Hinrichtung verhindern könntet«, fragte Columba mit belegter Stimme, »Ihr würdet es tun, nicht wahr?«
Unlogisches Weibergewäsch, jetzt glomm doch tatsächlich Hoffnung in den Augen seiner künftigen Braut auf. Also doch eine von den Empfindsamen, nicht daß sie ihm doch noch mit der Laute und Gedichten und solchem Schnickschnack kam! Der Junker seufzte. Er war zum ersten Mal Bräutigam, da mußte man sich wohl bequemen und Zartheit des Gemüts vortäuschen. Der bittende Blick Columbas ließ ihn nicht los. Er ließ seine Augen an ihr hinabgleiten. Sie war die Mühe wert. Und die beachtliche Mitgift dazu. Fritjof räusperte sich.
»Nun ja. Wenn man so etwas ohne Not und Gefahr verhindern kann, dann sollte man es tun.«
Obwohl Columba den Ton seiner Stimme etwas lau fand, lächelte sie so dankbar es eben ging, und ihr Lächeln war schön.
Junker Fritjof spitzte die Lippen zum Kuß. Was wartete er noch? Sie wußte doch, was jetzt kam. Sein pralles Gesicht näherte sich ihrem. Diesmal würde sie die Augen nicht schließen, um dieses Erschauern, die gefährliche, lustvolle Hingabe einmal ganz bewußt zu erfahren. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und bot ihm ihren Mund dar.
Lazarus sah es deutlich, während er mit seinen Briefrollen hinter den Kaufherrn an das geöffnete Fenster trat. Van Geldern nickte befriedigt und schloß das Fenster mit lautem Klirren. Columba lernte derweil im Garten, daß der Freiherr nicht nur beim Essen schmatzte und Küsse nicht immer von süßer Erregung begleitet waren.
Im ersten Stockwerk trat der Kaufmann hinter seinen Schreibtisch. Lazarus folgte ihm mit festem Schritt, der unterdrückten Ärger verriet. Er wollte sich eben setzen, als die Rüstung, die rechts von ihm stand, einen metallischen Schritt auf ihn zumachte. Mit zwei dumpfen Stößen setzte sie rasch hintereinander die stählernen Sohlen auf den Ziegelboden und stand ihm degenschwingend gegenüber. Erschrocken wich er zurück, der Kaufmann lachte befriedigt und richtete sich in seinem Sessel auf. »Kein Grund zur Furcht. Es ist nur ein Automat. Ich habe ihn eben aufgezogen, er reagiert auf heftige Erschütterungen des Bodens. Eine Spielerei, die ich in Italien erwarb, die Ingenieure dort sind Meister ihres Faches. Setzt Euch.«
Der Bartlose gehorchte und legte seine Briefrollen mit den schweren königlichen Siegeln, die an roten Bändern baumelten, auf den Tisch. Van Geldern tat, als beachte er sie gar nicht. Gier oder Neugier ziemten sich nicht bei einem erfolgreichen Geschäftsmann. Beide
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