Die Visionen von Tarot
verhehlte.
Später im Leben merkte Bruder Paul rasch, daß derartige Abstimmungspolitik nicht nur auf der Gemeindeebene, sondern auch in globaleren Zusammenhängen die Tagesordnung bildete. Es vermittelte ihm bestimmte Einsichten und Erkenntnisse über die am Werk befindlichen Kräfte beim McCarthysmus und dem Komitee für unamerikanische Umtriebe, selbst eine der am wenigsten amerikanischen Institutionen. Macht drängte nach Korruption, sowohl im Makrokosmos als auch im Mikrokosmos, und zuweilen bedurfte es verzweifelter Maßnahmen, um den entschieden falschen Kurs jener zu korrigieren, die vermeintlich die Mehrheit repräsentierten. Es war ein Phänomen, das Paul niemals richtig begriff, daß sich die Guten wie die Bösen verhielten, aber immerhin lernte er es erkennen. Das College hatte ihn wirklich gut auf das Leben vorbereitet.
Wie wirkungsträchtig seine Ausbildung auch immer gewesen war, die finanzielle Basis des Instituts war recht klein, und daher beschloß die Verwaltung, es zu erweitern. Man meinte, mehr Studenten würden sich einschreiben, wenn die Normen strikter eingehalten würden. Gewisse Fakultätsmitglieder glaubten, die sexuelle Moral werde unter den Studenten zu locker gehandhabt. (Bestimmte Studenten hatten hinsichtlich des Lehrkörpers das gleiche Gefühl, aber das stand auf einem anderen Blatt.) Daher verhängte die Verwaltung für die Versammlungsräume feste Öffnungszeiten und Regeln: Keine Frauen in den Gruppenräumen der Männer und keine Männer bei den Frauen nach zehn Uhr abends.
Aber das stieß auf Widerstand. Die Studenten betrachteten die Gruppenräume als Eigentum der Studentengemeinschaft und benutzten sie, wann immer sie wollten. (Tagsüber wäre eine Sperrstunde kaum problematisch geworden.) Darüber hinaus standen die Gruppenräume unter der Oberhoheit der Hauptversammlung, und dort stellten die Fakultätsmitglieder nur eine Minderheit und konnten einseitig genausowenig Kontrolle darauf ausüben, wie das Exek einen Studenten mit Hund allein hinauswerfen konnte. Daher war die neue Sperrstunde ohne legale Grundlage und wurde dementsprechend auch nicht befolgt.
Bis ein Nachtwächter Paul zusammen mit fünf anderen Studenten um zwanzig vor elf Uhr abends in einem Frauengruppenraum sitzen und reden sah. Nun hatte sich Paul bei bestimmten Mitgliedern des Lehrkörpers nicht gerade beliebt gemacht, und das lag nicht allein an seiner Teilnahme bei der Abschaffung des Hundegesetzes. Er war auch bei anderen Gelegenheiten für seine studentischen Rechte eingetreten und hatte gewöhnlich den Sieg davongetragen. Aus einem schüchternen Studienanfänger war ein selbstsicherer Student geworden. Theoretisch gesehen war dies genau die Entwicklung, auf die die Collegeerziehung abzielte: Individualismus bedeutete Charakter. In der Praxis betrachtete man es stirnrunzelnd, wenn dabei eine Gegnerschaft gegenüber dem neuen Sperrstundengesetz für Gruppenräume herauskam. Paul wurde vor das Normenkontrollkomitee der Fakultät zitiert, kurz und allgemein als Zweite Truppe bekannt.
Nun war Paul schon einmal mit der Zweiten Truppe in Konflikt geraten. Für ihn waren die Regeln über dessen Bildung und Aufgaben ein Anathema. Zufällig war er einer von zwei Studentenmitgliedern dieser Truppe, also ein Teil der Staffage, damit es so aussah, als sei es eine von der Gemeinschaft getragene Institution. Dabei hatte er sich äußerst widerspenstig angestellt. Er hatte ein privates Verhältnis zwischen einem Studenten und einem Lehrer – wobei das
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