Die Visionen von Tarot
und war mehr oder minder intakt geblieben. Aber er hatte eine gewisse Toleranz gelernt und war weniger geneigt, eine Person nach irgendeinem einzelnen Aspekt seiner oder ihrer Persönlichkeit wie körperliche Defekte oder Lesbiertum oder Schizophrenie zu beurteilen. Während dieser ganzheitlichen Erfahrung bei der Ausbildung wurde viel, was aus Paul später werden sollte, geformt, wenn es auch zu jener Zeit kaum Anzeichen dafür gab.
In jenen Jahren war Will zu Pauls Tutor geworden. Das Beratungssystem war in diesem College intensiver als in anderen. Der Tutor hatte ein spezifisches Interesse am Lehrplan des Studenten und nahm an seinem Wohlergehen innigen Anteil. Paul war da schon zum studentischen Aktivisten geworden – auch das entsprach dem normalen Gang –, und durch ihn hatte Will einen recht guten Einblick in einige Dinge, die im Dickicht des verfilzten Campustheaters vor sich gingen.
Das College versuchte, seine Schüler auf das Leben in der Außenwelt vorzubereiten, indem es einem mehr oder minder getreuen Mikrokosmos eben dieser Welt bildete. Der Hauptteil der Arbeiten wurde von den Studenten selbst erledigt: das Geschirrabwaschen, Putzen, die Gärten pflegen, die Feuerwehr und Mitgliedschaft in verschiedenen Komitees. In periodischen Abständen wurden auch die Fakultätsmitglieder aufgefordert, an diesen Arbeiten teilzunehmen, um sie nicht in ihren Elfenbeintürmen (eher: Silos) verschimmeln zu lassen, aber das war ein undankbarer Versuch. Die meisten Fakultätsmitglieder glitten bald wieder in ihre normale Routine zurück.
Das Ganze wurde organisiert durch die Generalversammlung, die man nach den Magistratsversammlungen des ländlichen Neu-Englands organisierte. In bestimmten Zeitabständen trafen sich Studenten, Lehrer und andere Angestellte und wühlten sich nach einer bestimmten formalisierten parlamentarischen Vorgehensweise durch die Tagesordnung. Die versammelten Unterkomitees, die in den Zwischenzeiträumen alles organisierten, erstatteten diesem Gremium ihren Bericht und erhielten neue Direktiven. Einige dieser Unterkomitees entwickelten mit der Zeit Eigenwillen und gaben dem Satz recht, daß Macht zur Korruption neigt, und das führte manchmal zu Problemen. Am berüchtigsten dafür war das Exekutivkomitee, kurz Exek genannt, welches aus den Vorsitzenden aller anderen Untergremien, dem Collegepräsidenten sowie aus ausgewählten Fakultätsmitgliedern und Vertretern aus jedem Studentenschlafsaal bestand. Manchmal verheimlichte das Exek Geschehnisse vor dem Hauptgremium, um zu verhindern, daß die weniger populären Entscheidungen von der Hauptversammlung abgelehnt wurden. „Wir sollten der Kopf der Hauptversammlung sein und nicht der Schwanz“, hatte es ein Exek-Mitglied formuliert. Worauf ein zorniges Mitglied der Hauptversammlung geantwortet hatte: „Die Exeks verhalten sich aber wie die Arschlöcher der gesamten Generalversammlung!“
Zum Beispiel hatte es einen Studenten Mitte Zwanzig gegeben, einen ehemaligen kleineren Geschäftsmann, der Deacon oder kurz ‚Deak’ genannt wurde. Er hatte einen Gemeinschaftsladen auf kooperativer Basis gegründet, in dem er Zigaretten, Kosmetika, Papierwaren, Süßigkeiten und andere Kleinigkeiten zu geringeren Preisen verkaufte. Das Unternehmen florierte, und es befriedigte ein allgemein vorherrschendes Bedürfnis – daher wurde der Unternehmer durch antiunternehmerische Elemente der Hauptversammlung auch befehdet. Sie versuchten, den Laden auf
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