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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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nicht angemessen, aber das kleine Mädchen war glücklich. Es war ihr egal, was sie aß. Eigentlich wollte sie nur einmal auf einem Flughafen gegessen haben. Danach machten sie einen Gang durch die Umgebung, und Carolyn fand alles faszinierend, von den verglasten Gebäuden bis zu den Kellergittern. Bruder Paul mochte dieses Kind. Es war leicht, ihre Begeisterung zu teilen. So war sie immer gewesen: hyperaktiv, neugierig, aufgeregt. Von Geburt an, dachte er.
    Wieso erinnerte er sich? Sie war das Konstrukt der Gegenwart und hatte außerhalb dieser Vision keinerlei Realität, weder Vergangenheit noch Zukunft. Oder?
    Bruder Paul schüttelte den Kopf und betrachtete sie, wie sie fröhlich vor ihm hertrippelte, so eifrig wie ein junger Hund, der eine aufregende Spur verfolgt. Er fühlte sich schuldig, wenn er die Illusion aufbrechen wollte. Warum wollte er sich nicht erinnern – an was hatte er sich eigentlich erinnern wollen?
    Schließlich checkten sie sich auf dem anderen Flughafen ein für den Sprung in die unerforschte Wildnis von Neu-England. Nach dem riesigen Düsenflugzeug wirkte diese kleine Zwanzig-Personen-Propellermaschine wie ein Spielzeug. Aber sie schoß hoch, als würde sie von stark gespannten Gummibändern gezogen, und flog bald in den Himmel. Doch bei jeder kleinen Wolke sackte sie ein wenig ab, was Bruder Paul beunruhigte und Carolyn Angst machte. Sie schien einfach nicht sicher genug.
    „Daddy, erzähl mir die Geschichte von den Zensuren, die es eigentlich gar nicht gab“, sagte Carolyn fröhlich, während sich ihre Aufmerksamkeit von den taumelnden Wolken löste. Alles, was länger als fünf Minuten dauerte, besaß bei einem Kind dieses Alters keinen Reiz mehr.
    Aber die Geheimzensuren – wie konnte sie darüber Bescheid wissen? Er mußte es ihr früher einmal erzählt haben, und nun zeigte sie die Kehrseite der kurzfristigen Aufmerksamkeit: Sie hatte es gern, wenn sie vertraute Geschichten oft hörte, und zwar immer mit den gleichen Einzelheiten.
    Nun, es nutzte ohnehin nichts, wenn sie sich zu sehr auf die Wolken konzentrierten, die so gefährlich vorbeisausten, oder auch auf die ersten Anzeichen von Flugkrankheit. Er schloß also die Augen vor den allzu offensichtlich plazierten Tüten für den Fall des Erbrechens, die man in bequemer Reichweite hinter die Lehnen der Vordersitze gesteckt hatte, und erzählte (noch einmal?) von den nicht existierenden Zensuren. Carolyn hatte bereits gelernt, Zensuren zu verachten, und sie hörte gern etwas über seine wohlbegründete Abneigung gegenüber diesem System. Allmählich kam ihm selbst die Szene wieder vor Augen. Er erlebte alles noch einmal, wenn er auch die Worte ihr gegenüber wiederum einfach wählte, damit sie es besser begriff.
    Im College gab es keine Abschlußprüfungen. Das war einer der Hauptanziehungspunkte: die Freiheit vom Druck durch Prüfungen, durch die Anzahl irgendwelcher Punkte und aller üblen Begleiterscheinungen. Paul konnte es nicht leiden, auf schulischer Ebene mit jenen in Wettbewerb zu treten, die mogelten – dies hatte ihm das ganze Prüfungssystem verleidet. Denn wenn er auch selber nicht mogelte, so war doch seine Stellung in einem Kurs durch diejenigen beeinflußt, die es taten. So hatte er immer schlechtere Zensuren erhalten als diejenigen, denen er eigentlich überlegen war. Darüber hinaus blieben Prüfungen, selbst wenn sie auf ehrliche Weise abgelegt wurden, unzureichend, und das gefiel ihm nicht. Er lernte langsam aber gut und behielt das Wissen länger als der Durchschnitt im Kopf, erweiterte es sogar manchmal, wenn die Prüfungen schon vorüber waren. Andere vergaßen alles wieder, sobald die Prüfung gelaufen war. Doch die Zensuren spiegelten nicht ihr behaltenes oder verwertetes Wissen wider, sondern lediglich das Prüfungsergebnis. Hier im College gab es kein Mogeln, denn man konnte niemanden betrügen. Es gab keine nächtlichen Pauksitzungen, keine zirkulierenden Kopien von den letzten Prüfungsfragen, keine strafweise Zurücksetzung von erteilten Zensuren, keine Repetitorien. Man hatte ein großes Übel des Systems ausgerottet.
    Statt dessen wurden am Ende eines jeden Trimesters von drei Personen Berichte abgegeben: dem Studienleiter, dem Studenten selber und dem Tutor. Aus diesen drei Beurteilungen wurde eine Bewertung ohne Zensuren oder Zahlen herausgefiltert und den Akten des Studenten beigegeben. Und das war alles.
    So stand es zumindest in dem Prospekt für das College.
    Paul hatte es während seiner

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