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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Menschen die Erbsünde war, wie konnte er sie jemals büßen, außer sie letztendlich zu befriedigen?
    Welche Bedeutung hatte es, daß der Satan Christus mit Macht, Reichtum und Stolz versucht hatte zu verführen, nicht aber mit Erkenntnis? „Wenn du der Sohn Gottes bist, dann befiehl, daß aus diesen Steinen Brot wird.“ Jesus hatte erwidert: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern durch das Wort Gottes.“ Und auf das Angebot weltlicher Macht hin, wenn er den Teufel anbeten würde: „Hebe dich hinweg von mir, Satan …“ Warum nicht die Erkenntnis?
    Wieder blickte er auf die Akte. Das Ding schien trotz seiner Sachlichkeit ein bösartiges Licht auszustrahlen. Konnte es sein, daß Wissen Macht war und es von daher in den Versuchungen, denen Jesus ausgesetzt wurde, mit inbegriffen war? Was hatte ihm Pater Benjamin angetan, indem er die Manifestation des Teufels in seine Reichweite brachte?
    Nein, auf die Bibel konnte er sich hier nicht berufen. Das Urteil über das Wissen war nicht eingeschlossen. Jeder einzelne Fall mußte auf seine Verdienste hin überprüft werden.
    Durch welches Recht konnte das College verfügen, daß jedermann außer der betroffenen Person die Einzelheiten ihres Bildungsganges erfahren durfte? Darin lag eine Unfairneß, weil es sich jeder objektiven Person von selbst manifestieren würde. Durch welche Ironie waren die Erzieher selbst diesem Unrecht gegenüber blind?
    Doch er wußte aus Erfahrung, daß auch die Erzieher nur Menschen waren, mit menschlichen Vorzügen und Nachteilen. Sie sahen nicht mit absoluter Klarheit, was falsch und was richtig war. Warum sollten sie auch? Ihr Ziel war, den Studenten eine Entwicklung zu ermöglichen. Wenn ihnen das gelang, hatten sie ihre Pflicht erfüllt. Wahrscheinlich waren es die Verwalter des Colleges gewesen und nicht die Lehrer, die diese Dokumente unter Verschluß behalten wollten.
    Aber wiederum: Warum? Damit sich die Studenten nicht beklagten? Warum sollte sich ein Student denn über simple Aufzeichnungen seiner Fortschritte beklagen, die er selbst mit aufgezeichnet hatte? Irgend etwas war faul …
    Er dachte an seine Begegnungen mit dem Exek und der Zweiten Truppe. Heimlichkeit war dort das Kennzeichen illegalen Vorgehens gewesen. Heimlichkeit wurde so oft angewendet, wenn es galt, Schuld zu verhehlen.
    War es wirklich nur eine simple Aufzeichnung? Oder lag in dieser Akte eine sinistre Information verborgen, die jedermann außer ihm bekannt war? Bruder Paul dachte an den frustrierenden Scherz über den Mann, dem man eine Nachricht in fremder Sprache übergibt. Jeder, dem er diese Botschaft zeigt, versteht sie, weigert sich aber, sie ihm zu übersetzen oder auch nur weiterhin mit ihm zu tun zu haben. So bleibt der Mann in ewigem Zweifel befangen. War die College-Aufzeichnung von der gleichen Art? Sicher würde er es herausbekommen.
    Er streckte die Hand aus, zögerte jedoch. Heiligte der Zweck die Mittel? Der Zweck hieß Aufklärung, aber die Mittel Verletzung von Vertrauen. Das College war bloß eine Institution, sicher, aber Vertrauen blieb Vertrauen. Es spielte keine Rolle, welche dunklen Geheimnisse in dieser Akte lauerten; die Enthüllung würde eine persönliche Sünde bedeuten, einen Affront gegen Moral, Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit.
    „Ach, aber das Fleisch ist schwach“, murmelte Bruder Paul und hatte den Ordner geöffnet.
    Bald bereute er es. Ja, Pandora! dachte er. Pandora war das Mädchen gewesen, das die Büchse geöffnet – (war sie eine andere Inkarnation Evas?) und dabei alles auf die Welt losgelassen hatte, wobei sie nur eines zurückhielt: die Hoffnung. Paul hatte nun auch die Hoffnung fahren lassen. Denn die gehätschelten Ideale seiner Collegezeit, die die Probleme der Campuspolitik wie auch schlechte Lehrer und fragwürdige Ausschließungen überdauert hatten, wurden nun als Illusionen enthüllt.
    Zunächst einmal: Die Akte enthielt Zensuren! Klassifizierungen zwischen A, B und C, und zwar genau von dem Typus, den das College nach außen hin niemals anwendete. Oh, es gab auch umschriebene Beurteilungen, aber eine jede wurde am Ende mit einer Buchstabenklassifizierung versehen, von der gleichen Art, wie man sie bei Computerisierungen, die auf allen anderen Schulen üblich waren, manipulieren konnte. Aber an anderen Schulen wurden die Klassifizierungen offen bekanntgegeben; jeder Student wußte genau, wo er stand. Hier hatte man alles heimlich aufgestellt, so daß der Student nicht nur über seine Position im

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