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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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gesamten Studienzeit auch geglaubt: vier Jahre lang. Befreit von dem Alptraum der Abschlußprüfung, hatte er sich anderen Gebieten der Ausbildung wie Folksinging, Tischtennis und den Frustrationen und Freuden des Umgangs mit dem anderen Geschlecht gewidmet. Doch seine offiziellen Kurse hatte er nicht vernachlässigt. Eigentlich hatte er eine ganze Menge gelernt, was ihm in den späteren Jahren auch nützlich war. Aber die Kurse waren lediglich ein Teil seiner Erziehung gewesen und nicht das Eigentliche. Er hatte diese Art des Lernens nie bereut und immer die Bereitschaft des Colleges geschätzt, ihn seinen eigenen Weg suchen zu lassen. Ein Student konnte sich in der Zwangsjacke der ‚normalen’ Ausbildung nicht entwickeln, und hier war es anders. Er lernte, was er lernen wollte, innerhalb und außerhalb von Kursen, und war dieser Gewohnheit seitdem treu geblieben. Lernen war immer noch eine große Freude für ihn, heute mehr als je zuvor – weil er in diesem College keine bloßen Fakten gelernt hatte, sondern, wie man lernt. Alles andere trat dahinter zurück, doch diese Fähigkeit entwickelte sich weiter.
    Jahre später während seiner Novizenausbildung im Heiligen Orden der Vision hatte ihm Vater Benjamin einen schmalen Aktenordner vorgelegt. „Das ist die Versuchung“, hatte er dabei gesagt.
    Bruder Paul hatte ihn angesehen. „Das verstehe ich nicht. Ich hatte in dieser Stunde Meditation erwartet.“ Meditation ist eine ernste Angelegenheit: eine andere Form des Lernens.
    „Das sollst du auch, Paul“, hatte der Pater mit einem gewissen, rätselhaften Lächeln gesagt. „Du sollst darüber meditieren, ob du nun diese Akte öffnest oder nicht.“
    War das als Scherz gemeint? Das war kaum die übliche Meditation. Doch er schien es ernst zu meinen. „Wie soll ich wissen, was richtig ist? Ich kenne diese Akte nicht.“
    „Das ist deine College-Akte.“ Und damit hatte sich Pater Benjamin entfernt.
    Meditation? Er befand sich in hellem Aufruhr! Bruder Paul wußte, daß diese Akte für ihn verbotenes Material bedeutete – er durfte es eigentlich nicht sehen. Um jeglichen Wettbewerbsdruck zu vermeiden, wurden die Akten den Studenten nicht zugänglich gemacht. Aber natürlich wußte Paul ungefähr, wie er stand, denn seine eigene Einschätzung war ja Bestandteil der Berichte.
    Nun jedoch wunderte er sich. Wenn er wußte, was hier stand, warum sollte es ihm verschlossen bleiben? Was für einen Unterschied machte es schon?
    Er dachte nach, und seine Zweifel wurden stärker. Niemand verheimlichte ihm sein Alter, sein Gewicht oder irgendeinen anderen Aspekt seines Selbst. Bruder Paul war allgemein der Meinung, jede Person habe ein Recht auf alle Informationen über sich. Immerhin handelte es sich um sein Leben. Was für ein Sinn lag dann also in einem Geheimnis?
    Aber gewiß hatte das College Gründe, diese Dokumente unter Verschluß zu halten. Man hatte alle nutzlosen Schnörkel zugunsten einer echten Erziehung aufgegeben. Wenn man einen Aspekt verheimlichen mußte, dann war das wohl notwendig. Verlangte nicht seine Ehre von ihm, der Vorschrift zu gehorchen und die Akte unberührt zu lassen?
    Aber warum hatte ihm Pater Benjamin dieses Material zur Verfügung gestellt? War dies eine Prüfung seiner Integrität, deren Ergebnis sein Fortkommen innerhalb des Ordens bestimmen würde? Spielte Pater Benjamin den Advocatus Diaboli und führte ihn in Versuchung? Würde er, wie Jesus Christus, hart bleiben und widerstehen oder wie Eva im Garten Eden der Versuchung durch die Frucht vom verbotenen Baum der Erkenntnis nachgeben?
    Das brachte einen anderen Aspekt mit sich. Bruder Paul selbst hatte Eva für das Pflücken dieser Frucht niemals verdammt, wenn es auch sie und Adam den Aufenthalt im irdischen Paradies gekostet hatte. Erkenntnis war das Wichtigste am Menschen, das, was ihn vom Tier unterschied. Ein Wesen, daß sich dem Lernen jeglicher Art verweigerte, opferte auch sein Erbe. Eden war kein Paradies gewesen, sondern ein Gefängnis. Ignoranz war kein Segen. Sicher war es Gottes Plan gewesen, daß das Ahnenpaar diese Frucht essen würde. Es wäre falsch gewesen, dies nicht zu tun. Der wichtige Punkt an dieser Geschichte war, daß der Preis des Wissens hoch ist – aber er mußte gezahlt werden. Die Alternative hieß, ein Tier zu bleiben.
    Das war vielleicht keine orthodoxe Interpretation. Doch der Heilige Orden der Vision ermutigte, wie auch das College, weiterreichende Gedanken. Wenn die unstillbare Neugier des

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