Die Voegel der Finsternis
der Mann viel größer war als sie. „Ich habe von ihm gehört", sagte er. „Er ist seit langer Zeit verschwunden - und nun habe ich ihn in einem Traum entdeckt, der mich in die Gemächer des Schattenkönigs geführt hat." „Ein Traum?" Sie sah sich um. In dem kalten, fahlen Licht kamen ihr die Wände sehr wirklich vor. Ich träume! „Ich muss Devin finden, bevor der Ebrowen ihn findet!", schrie sie.
„Du suchst einen Freund? Aber wenn deine Suche dich
hierher geführt hat, heißt das nicht, dass der Ebrowen
deinen Freund schon gefunden hat?"
Hierher? Sie wagte nicht zu fragen, was er meinte. „Ich
weiß nicht", sagte sie. Er schien viel mehr zu wissen als
sie. „Ich weiß nicht", wiederholte sie,
„Sucht der Ebrowen auch andere Träumer oder nur
deinen Freund?"
Sie legte ihre Hände um den Traumwenstein. „Er will auch mich... aber ich habe den Traumwenstein.
Meine Mutter sagte, der Ebrowen könne mich nicht finden, solange ich den Stein habe. Sag, dass sie Recht hatte."
„Du weißt es nicht?" Er sah sie bestürzt an.
„Ich habe den Stein erst heute Morgen ausgegraben",
sagte sie.
„Heute Morgen! Wer hat dir sein Versteck verraten?" „Meine Mutter." Sie wollte ihm alles erzählen, doch dann malte sie sich aus, wie Devin von Lord Morlen verhört wurde. Sie musste ihm helfen. „Mehr weiß ich nicht. Bitte hilf mir, Devin zu finden." „Natürlich." Er wies ihr die Richtung. „Hier entlang. Wir suchen in den Gemächern nach ihm." Rasch ging er vor ihr her.
Wieder begann das Flüstern und verfolgte sie mit einem Schwall von Hohn. „ Verloren, verloren, verloren ." Ob der junge Mann es auch hörte? Sie war zu erschöpft, um ihn zu fragen. Wie lange ging sie schon durch diese Gänge? Jeder Schritt machte ihr Mühe. Es müsste doch leichter sein, durch einen Traum zu gehen? Sollte sie nicht rennen oder sogar fliegen können, wenn sie wollte? Sie legte ihre Hand auf eine der Türen. „Hier", sagte sie, „ich glaube, Devin ist hier drin." Der junge Mann öffnete die Tür. Sie führte in ein Zimmer, das ebenso grau war wie die Flure. Auf einer Bank lag Devin, er war aschfahl, nur auf seiner Wange glühten zwei rote Zeichen. Maeve eilte zu ihm und setzte sich neben ihn. Er rührte sich nicht, starrte sie nur aus weit aufgerissenen Augen an. „Devin, hat Lord Morlen dich hierher gebracht?" Er antwortete nicht. „Wir müssen fort, bevor der Ebrowen wiederkommt", sagte der junge Mann. Er hob Devin hoch und legte ihn sich über die Schulter. „Beeilung." Maeve folgte ihm in den kalten Flur hinaus und hörte wieder die flüsternden Stimmen. „Ruhe. Ruhe ist das, was du brauchst... Du bist müde. Du kannst fort, nachdem du dich ausgeruht hast... du hast keine Eile." Sie sah schattenhafte Gestalten von Frauen und Männern, die ihr zulächelten und winkten.
Der junge Mann rannte fast mit Devin durch die Flure. „Vergiss nicht, warum du hergekommen bist", ermahnte er sie.
Sie gab sich alle Mühe, sich daran zu erinnern. Devin. Als sie versuchte, mit dem jungen Mann Schritt zu halten, war ihr, als würden ihre Lungen langsam zu Eis. Ausruhen, das war das Einzige, wonach sie verlangte. Woher wusste er, wohin sie gehen mussten? Die Flure sahen alle gleich aus, lang, grau, kalt. Noch ein Flur. Dieser endete vor einer breiten Tür. Sie konnte weder einen Knauf noch eine Klinke entdecken. Sie saßen in der Falle. Sie blieb stehen, drehte sich um und sah die Schatten, die sie verfolgten. Hinter den Schatten näherte sich eine Gestalt. Ein Mann. Er bewegte sich schnell wie eine Echse, seine Augen waren stahlgrau und eisig wie die Flure. Morlen. Maeve wirbelte herum und stürzte dem jungen Mann
nach. Er hatte die Tür erreicht und sprach etwas, das sie nicht verstand. Die Tür öffnete sich. Maeve rannte hindurch. Sie hörte die Tür hinter sich zufallen. Rücklings fiel sie zu Boden und sah über sich den Himmel. Die Sterne wirkten näher und heller als gewöhnlich. Neben ihr, im weichen Gras, lag Devin. Sie wusste nicht, wo sie sich befand, die nahen, gleißenden Sterne waren ihr fremd. Wieder hörte sie die sanfte Melodie des Traumwensteins, sein Lied schien die Sterne zum Leuchten zu bringen. Sie setzte sich auf und sah zurück. Die Tür war verschwunden. „Morlen ...", sagte sie. „Hat Morlen ...?" „Hierher kann kein Ebrowen. Wir sind in den Auen des Wen. Hier bist du sicher. Sicherer als irgendwo sonst auf der Welt."
„Aber wie hat er mich gefunden? Ich dachte, kein Ebrowen könne in
Weitere Kostenlose Bücher