Die Voegel der Finsternis
Orientierungssinn sagte ihm, dass ganz in der Nähe die nördliche Grenze von Lord Herings Ländereien sein musste, auf der anderen Seite hatte er das Mädchen und den Jungen verlassen. Sobald sich die Bäume lichteten, wollte er im Wald nach den Ausreißern suchen. Es konnte nur noch eine Frage von Stunden sein, bis die Zinds ausschwärmten, um auch außerhalb der Stadt zu suchen.
Während Jasper nach einem Weg durch den dicht bewachsenen Wald suchte, waren nur das Schlagen der Hufe, das Quietschen der Räder und das Zwitschern der Vögel in den Zweigen zu hören. Langsam fuhr er um mehrere Biegungen und dann sah er mit einem Mal das Mädchen. An diesem Tag sah sie wie eine Sklavin aus, sie trug nur ein einfaches Hemd, doch er erkannte sie an der Farbe ihres üppigen Haars. Sie hatte ein Bündel unter dem Arm, aus dem ein Stück verräterischen Blaus hervorblitzte. Der Junge ging neben ihr.
Jasper hielt an und glitt blitzschnell auf den Boden herab. Als das Mädchen ihn erblickte, tauchte sie, den Jungen mit sich ziehend, ins Unterholz. „Warte!", rief Jasper und rannte ihr nach. „Warte!" Er sprang über Steine, brach durch spätsommerliches Buschwerk und rief dem Mädchen nach: „Ich kann dir helfen!" Mit bloßen Füßen rannte sie vor ihm her. „Lord Morlen ist hinter dir her!", schrie er, als er sie einholte.
Sie blieb stehen und wirbelte herum. „Woher weißt du das?"
„Die Belohnung", sagte er und blieb vor ihr stehen.
„Aber die interessiert mich nicht."
Schweiß perlte von ihrer Stirn. „Nicht? Was willst du
dann?"
Wie konnte er erreichen, dass sie ihm glaubte? „Ich wollte dich warnen." „Warum solltest du mich warnen wollen?" Sie atmete schwer und sie sprach anders als am Tag zuvor, nicht mehr wie eine Hochgeborene.
„Weil du ausgerissen bist Wenn Lord Morlen mein Herr wäre, würde ich auch ausreißen." Sie fasste ihn an der Hand und schloss ihre Augen. Ihre Hand fühlte sich weich und stark an. „Also gut." Sie schlug die Augen auf und ließ seine Hand los. „Ich glaube dir." Wieder war er vom Wohlklang ihrer Stimme berührt - ihre Stimme war sogar noch schöner als ihr Gesicht
„Wer immer du auch bist, in Slivona gibt es keinen Menschen, der nicht weiß, dass du ausgerissen bist und ein Kleid dieser Farbe besitzt." Er zeigte auf das blaue Stück Stoff, das aus ihrem Bündel hervorlugte. „Und dass der Junge gezeichnet ist"
„Devin! Du kannst rauskommen. Alles in Ordnung." Der Junge kam vorsichtig hinter den schützenden Bäumen hervor. Es war derselbe Junge - braune Augen, braunes Haar, kräftiger Körper. Derselbe Junge, jedoch ohne Verbände. Keine Verbände und keine Schnittwunden.
„Es heißt, er sei gezeichnet." Jetzt ist er geheilt"
Jasper blinzelte. „Wie ... ? Egal. Du musst von hier fort. Du kannst nicht nach Slivona zurück und bald werden sie auch hier nach dir suchen." Sie blickte zu Boden. „Bist du Lord Morlen begegnet?" „Ihm begegnet? Nein. Die Freien wissen genug von ihm, um ihm aus dem Weg zu gehen." Erleichtert sah sie ihn an. „Danke. Danke, dass du uns gewarnt hast."
„Du musst fort! Und das Kleid musst du dalassen."
Sie umklammerte das Bündel. „Das geht nicht Meine
Mutter hat es mir genäht"
„Das tut nichts zur Sache. Sie haben es gesehen."
„Sie hat es genäht, damit ich fliehen kann. Es ist das
Einzige, was ich von ihr habe." Tränen traten ihr in die
Augen.
„Sie kann dir ein anderes nähen." Sie schüttelte den Kopf. „Sie lag im Sterben." Jasper zermarterte sein Gehirn und überlegte, wie er sie überzeugen konnte. „Wenn sie das Kleid genäht hat, damit du fliehen kannst, würde es ihr das Herz brechen, wenn du wegen dieses Kleides gefangen werden würdest. Lass es hier, und wenn du noch mehr Goldstücke hast, lass auch die hier."
Sie wischte sich die Augen. Dann sah sie auf. „Das Gold dalassen? Unmöglich! Ich muss davon Essen kaufen und die Schiffspassage nach Glavenrell bezahlen." „Das Gold wird dich nur Lord Morlen ausliefern. Ich sage dir, er will dich unbedingt finden. Die ganze Stadt hat er auf diese Delans angesetzt" „Sie sind der Preis für meine Freiheit." Jasper seufzte. Das Mädchen war stur wie ein Maulesel, aber mit Mauleseln kannte er sich aus. „Entweder deine
Delans oder deine Freiheit. Denkst du, Lord Morlen wartet, bis du zur Vernunft kommst?" Das Mädchen holte das Kleid aus dem Bündel. Sie drückte es an ihre Wange, wischte die Tränen damit fort und küsste es wie einen geliebten Menschen.
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