Die Voegel der Finsternis
ich furchtbare Kräfte besitze?" Orlo wollte darauf nichts sagen. Wenn nur sein Herz nicht so laut hämmern würde. Er fragte sich, ob es hier und jetzt zerspringen und Lord Morlen die Mühe ersparen würde, ihn zu töten.
„Sind dir solche Gerüchte zu Ohren gekommen, Orlo?", wiederholte Morlen seine Frage. „Ja, Herr. Aber ich habe sie nicht weitererzählt" „Nicht? Und warum nicht?"
„Ich wollte den Sklaven des Badehauses keine Angst machen."
„Das war sehr weise von dir. Nun aber sage mir, was du über mich gehört und nicht weitererzählt hast?" Orlo griff nach einem Handtuch und wischte sich den Schweiß von Gesicht und Nacken. „Dass Ihr die Seelen anderer beherrschen könnt"
Morlen nickte und lächelte kalt. „Ich kann nicht nur die Seele eines anderen beherrschen, ich kann Menschen auch um den Verstand bringen. Aber, Orlo, manchmal ist mir das zu mühevoll, vor allem, wenn die Seele eines anderen mich langweilt. In unserer Welt gibt es viel zu viele Dummköpfe und Dummköpfe langweilen mich zu Tode. Aus diesem Grund habe ich dieses wunderbare Getränk erfunden - es erledigt die Arbeit für mich." Er hielt das Fläschchen in die Höhe. „Und du, Orlo, wirst heute eine Kostprobe davon bekommen."
Orlo schüttelte den Kopf. Zwischen den Augen des Lords entstand eine kleine Falte. „Ich bin jetzt dein Herr", sagte er, „und ich habe entschieden, dir das Vahss zu verabreichen."
Die Männer schlössen ihren Kreis enger um Orlo. Was konnte er dagegen tun? Er stellte sich vor, wie sie ihn zusammenschlugen und ihm gewaltsam die Flüssigkeit eintrichterten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Vahss zu trinken.
Orlo öffnete den Mund. „Sehr gut", sagte Morlen, „vielleicht bist du doch kein Dummkopf." Eine dickflüssige Masse rann durch Orlos Kehle. Ihm war, als winde sich eine wunderschöne Schlange um sein Herz. Sein Herzschlag verlangsamte sich und wurde ruhig und gleichmäßig.
„Besser?", fragte Morlen. „Gut. Nun erzähle mir alles, was du über diese Maeve weißt." Maeve. Orlo sah sie vor sich, wie sie Duftöle mischte und den Gästen des Badehauses aufwartete. Er empfand für sie etwas Besonderes, konnte sich aber nicht erinnern, was es war. Lord Morlen, der ihm das Vahss gegeben hatte, wollte wissen, wer sie war. Gut so. Orlo würde ihm alles sagen.
Jasper wusste, dass es auffiel, wenn er mit seiner leeren Kutsche durch Slivonas Straßen fuhr, ohne den Wimpel aufgesteckt zu haben, der Fahrgäste zum Einsteigen aufforderte. Aufzufallen war hinderlich, doch bei dem, was er vorhatte, wären Fahrgäste ein noch größeres Hindernis gewesen. Er konnte das Mädchen mit dem blauen Kleid nicht vergessen und wollte sie suchen und, wenn möglich, warnen.
Obwohl es noch früh war, wimmelte es auf den Straßen von Gestreiften. Sie patrouillierten einzeln und in Gruppen und sahen sich überall um. Mehrere Male wurde Jasper angehalten und ausgefragt. Dann spielte er den Einfältigen, fragte stammelnd zurück und tat, als könnte er nicht mehr als einen Gedanken gleichzeitig im Kopf behalten. Er sei auf dem Weg zu einem Herrn Terrill in der Nachbarstadt, behauptete er. Die Gestreiften verspotteten ihn und rissen üble Witze, aber sie ließen ihn jedes Mal ziehen. Jasper hielt sich westlich und fuhr auf Nebenstraßen und lehmigen Wegen zum Stadtrand. Von dort gab es Landstraßen, die nicht so schwer bewacht waren. Immer wieder musste er sich ermahnen, langsam zu fahren. Im Stillen dankte er dem Kaiser, dass Slivona keine befestigte Stadtmauer besaß.
Die Sonne wärmte seinen Rücken. Die Straße, die er nehmen wollte, wurde nur von einem Zind bewacht, der ihn wie erwartet anhielt.
„Steig aus." Jasper tat wie geheißen und beobachtete, wie die schwarzgrau gestreiften Handschuhe jede Ecke seines Wagens durchsuchten. „Wohin fährst du?", fragte der Gestreifte.
„Muss den Wagen zu Herrn Terrill bringen. Wohnt im Westen."
„Und wie kommst du in die Stadt zurück?" Jasper kratzte sich am Kopf. „Marktkarren." „Zeig mir deinen Brief."
Jaspers Freibrief war schon ein wenig abgegriffen. Der Zind prüfte ihn mit geübtem Blick. „Solltest du zufällig ein Mädchen in einem blauen Kleid sehen oder einen Jungen mit frischen Zeichen im Gesicht, dreh sofort um und erstatte mir Bericht"
Jasper schwitzte heftig, als er wieder auf seinen Kasten kletterte. Kaum war er außer Sichtweite, schnalzte er mit der Zunge und feuerte seine Stute an, dass Staub unter ihren Hufen aufwirbelte. Sein
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