Die Voegel der Finsternis
kein Mann sie mehr begehren sollte, und sie in die Sklaverei getrieben hatte, wo sie den Rest ihres Lebens verbracht hatte. „Aber sie hat mich nicht gehasst, obwohl ich der Grund für ihr Elend war", beendete Maeve ihre Erzählung. „Sie liebte mich. Und sie lehrte mich fast alles, was sie wusste." „Sie nähte das blaue Kleid", sagte Jasper leise. Ja, im Geheimen." Maeve presste die Faust auf die Augen, als könnten die Knöchel ihre Tränen zurückhalten. „Und ich konnte nicht bei ihr sein, als sie starb."
„Wenn sie heimlich so ein Kleid nähen konnte, musste ihr deine Flucht sehr am Herzen liegen. Bestimmt ist sie jetzt glücklich, wenn sie dich sieht" „Meinst du, sie kann mich sehen?" Maeve wischte mit dem Ärmel über die Augen.
Jasper flocht eine blaue Blüte in einen Strang gelber Grashalme. „Wenn ich einmal sterbe, werde ich bestimmt nach dir sehen, Maeve." Eine Welle von Wärme flutete über Maeves Gesicht. Sie hoffte, Jasper würde ihr Erröten nicht bemerken. „Meinst du, es wäre möglich, im Traum einem richtigen Menschen zu begegnen?"
„Im Traum? Warum?"
Maeve erzählte ihm von ihrem Traum mit den grauen Fluren und dem jungen Mann, der sie zu einer Zauberwiese geführt hatte.
„Und als du aufwachtest, waren Devins Wunden fort?" „Verschwunden."
Jasper pfiff durch die Zähne und sagte, wenn sie jemals wieder zu diesem von Sternen erleuchteten Ort käme, müsste sie ihn unbedingt mitnehmen. „Dann verschwindet vielleicht auch die Narbe an meinem Arm." Er setzte ihr den Kranz auf den Kopf, seine Finger strichen über ihr Haar. „Und deine Mutter hat dir auch das Singen beigebracht?"
Maeve nickte. „Aber sie sagte, ich dürfte es nie jemanden hören lassen." Sie blickten sich an, ihre Gesichter waren sich sehr nahe. „Sie meinte, wenn Lord Indol mich hören würde, würde er mich zu einer Sentesan machen."
Jasper wollte etwas sagen, aber in dem Moment schlurfte Devin über die Wiese und er verstummte. Der Junge lehnte sich an Maeve an. „Ich mag deinen Kopfschmuck."
Es fing an zu tröpfeln und aus den Tropfen wurde ein richtiger Guss.
Sie sprangen auf, rissen die Decken von Fortunas Rücken und rannten zu einem Unterstand. Dann warteten sie unter tropfenden Zweigen. Lange standen sie so, und als der Regen endlich aufhörte, war noch immer keine Sonne zu sehen. Durchnässt und zitternd versuchten sie, ein Feuer zu entfachen. Doch die Nässe hatte nichts verschont.
„Jasper", sagte Maeve, „meinst du, wir können es wagen, einen Bauernhof zu suchen, wo wir uns trocknen können?"
Jasper berührte die triefende Krone aus Gras und Blumen, die sie immer noch auf dem Kopf trug. „Nein, Maeve, ich meine nicht, dass wir das wagen können. Die Gestreiften haben dich nicht gefunden. Das heißt, dass sie immer noch nach dir suchen."
17
Als Ellowen Mayn die Zaubersiegel am Haupttor der Burg löste, begrüßte er den Tag wie schon tausende Male zuvor mit dem üblichen Dank an Gott für die Herrlichkeit des Morgens.
Die vertrauten Worte spendeten ihm keine Freude. Er betrachtete den Brunnen und die kunstvoll gesetzten Steine und Blumen des einladenden Gartens und empfand nichts als Traurigkeit. Er rang schwer mit dem Tod von Ellowen Renaiya und dem Verschwinden des letzten Tezzarin. Seit Tagen trübte der Schmerz seine Wahrnehmung, und selbst der Sonnenaufgang schien auszubleiben, als sei das Licht vor der Welt zurückgewichen. Die Bestattung der Ellowen war nicht einfach gewesen. Heiler erreichten normalerweise ein hohes Alter. Unerklärlich, wieso Renaiya gestorben war. Man hatte sie in ihrem Bett gefunden und keine Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung entdeckt. Mayn fühlte sich durch und durch müde und in seinen Gliedern machte sich eine neue Steifheit bemerkbar. Bald würde das Tagwerk beginnen, aber irgendwie schien die Ordnung der Burg aus den Fugen geraten zu sein. Es war
nicht seine Aufgabe, über die Einhaltung der Regeln zu wachen - dafür war der Dreierrat zuständig. Nach Ellowen Renaiyas Tod hatte man nach einem neuen Mystiker geschickt. Bis dieser eintraf, wollte sich niemand mit Hester anlegen. Die Oberdradin besaß alle Merkmale der Dradenkaste: Sie hielt streng auf die Einhaltung der Regeln und war voller Selbstüberhebung. Aber so war es schon immer in der Burg gewesen — die Draden kümmerten sich um die weltlichen Dinge und hielten den Heilern den Rücken frei, damit diese sich ganz ihrer Kunst widmen konnten. Mayn legte auch gar keinen Wert darauf,
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