Die Voegel der Finsternis
Tages. Gerade hatte er noch durch den Nebel hindurchsehen können - jetzt nicht mehr.
„Landen", sagte die Königin, „dieser Angriff gleicht keinem je zuvor gekannten. Die Heiler und die Grenze, die sie errichtet haben, werden von jemandem oder etwas innerhalb der Burg geschwächt. Und dieses Etwas, was immer es sein mag, besitzt diese Vögel, die ihm dienen."
„So ist es", sagte Rascide und verneigte sich vor der Königin. „Ich hatte Unrecht. Nehmt meine Entschuldigung an, weil ich an Euch gezweifelt habe." Überrascht erwiderte sie die Verbeugung. „Nehmt meinen Dank an, Eure Gabe mit der Meinen verbunden zu haben. So konnte ich sehen, was im Verborgenen ist." „Was ist mit diesen Eben, diesen Vögeln?", fragte der König. „Erzähl uns genau, was sie sind und wie wir sie bekämpfen können. Wo leben sie? Wie können sie vernichtet werden?"
Königin Torina neigte ihren Kopf zu Rascide. „Der Oberste Seher soll sprechen."
Rascide wandte sich an König Landen. „Es scheint, dass sie nicht in unserer Welt leben, Herr", sagte er. Die Königin nickte. „Sie wohnen im Schattenreich und
bewegen sich durch die Welt der Träume. Sie greifen im Schlaf an." Er schwieg. „Ich weiß nicht, ob sie überhaupt vernichtet werden können, Herr." „Wie können wir uns vor ihnen schützen?" Die Stille im Raum war erdrückend, als Rascide seine Antwort bedachte. „Vielleicht könnte ein Traumkrieger sie schlagen, Herr."
„Ein Traumkrieger? Und wo können wir einen Traumkrieger finden?"
„Wenn ein Traumkrieger existiert, wissen es die Ellowen."
„Setzt eine Botschaft auf", befahl der König knapp. Dann durchmaß er voll Tatendrang den Raum und ließ Hauptmann Andris rufen.
16
Jasper führte Fortuna über einen Wildpfad. Maeve ging hinter ihm, Devin lag schlafend auf dem Rücken des Tieres, sein Gesicht in der Mähne vergraben. Plötzlich sah Jasper prüfend zum Himmel auf, Maeve folgte seinem Blick. Am bewölkten Nachthimmel waren nur wenige Sterne zu sehen gewesen. Nun brach die Morgendämmerung herein - ein düsteres Licht, kaum heller als die nächtliche Dunkelheit. Wenn der Mond schien und die Wildpfade nicht allzu verschlungen waren, kamen sie gut voran. In Nächten wie diesen jedoch, wo Wolken den Mond verdunkelten und die Wege in verwirrenden Labyrinthen verliefen, war das Fortkommen schwierig. Jasper spornte sie unermüdlich an, er sagte, sie müssten sich vor der Kälte hüten. Er hatte Recht, denn die Tage wurden kürzer und die Nächte kälter.
An einer Stelle, wo der Wald abrupt endete, holte Maeve Jasper ein. Vor ihnen, unter den herabdrückenden Wolken, lag eine von Wildgras überwucherte Wiese. Maeve nahm den Duft von Minze wahr. Sie rannte vorwärts, hockte sich hin und griff nach den schmalen Blättern. Sie zerrieb das frische Kraut zwischen ihren Fingern und atmete seinen intensiven Duft ein. Überall standen Büschel dieser wohlriechenden Pflanze. Voller Freude rieb sie mit den Blättern über ihre Wangen. Jasper ließ sich neben ihr nieder. „Fortuna scheint glücklich zu sein." Er zeigte auf die Stute mit dem schlafenden Devin, die ein paar Schritte entfernt das Gras malmte.
Maeve zeigte Jasper die Minze und schob sich ein Zweiglein in den Mund. „Ich bin auch glücklich." Jasper riss eine Hand voll langer Gräser ab. „Ich kann einen Kranz flechten", sagte er schüchtern. Sie sah zu, wie er die Halme ineinander verwob, und tat es ihm nach. Als der trübe Morgen allmählich die Dunkelheit vertrieb, entdeckten sie dicht am Boden auch Blumen, und bald wanden sie Blüten in ihre Kränze. Maeve setzte ihren Jasper auf, sprang auf und machte einen tiefen Hofknicks, wie Lila es ihr vor langer Zeit einmal beigebracht hatte. „Prinz Jasper, die Blüte des Landes", sagte sie in ihrem besten Hochgeborenenakzent. Sie ließ sich auf die Erde fallen und lachte. Jasper grinste, doch als er sie fragte, wo sie diese Art zu sprechen gelernt hatte, sah er ernst aus. „Von meiner Mutter. Sie war von Geburt eine Lady." Maeve hörte auf zu lachen.
Die Geschichte ihrer Mutter sprudelte aus ihr heraus: wie ihr Vater sie einem Mann versprochen hatte, den sie verabscheute. Wie sie alles der Liebe geopfert hatte.
Wie ihr Geliebter davongesegelt und nie mehr wieder gekehrt war. Wie Lord Hering ihr befohlen hatte, der Namen des Vaters ihres Kindes zu nennen, und wie er sie eigenhändig geschnitten hatte, als sie ihn nicht verriet. Ihr liebliches Gesicht mit hässlichen Narben verstümmelt hatte, dass
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