Die Voegel der Finsternis
sich mit weltlichen Angelegenheiten auseinander zu setzen. Er zog es vor, sich seinen Aufgaben als gelehrtester Sanginer der Burg zu widmen. Er machte sich auf den Weg zum Krankenhaus. Er wollte dem Dienst habenden Draden mitteilen, dass er heute nicht unterrichten könne. Sein Geist war getrübt. Höchste Zeit, dass er sich einen Tag Muße gönnte. Er musste wieder zu Frieden und Einkehr finden. Als er über die Gartenwege eilte, kam ihm ein Schüler entgegen. Es war Bern.
„Gesundheit, Ellowen Mayn." Berns Gen strahlte in voller Kraft. „Darf ich Euch ein Stück begleiten, Herr?" „Sicher. Ich wollte gerade Draden Dale darüber informieren, dass ich heute keinen Unterricht halten kann."
„Ihr seid hoffentlich nicht krank?" Bern ging neben Mayn her.
Dieser rang mit einem grauen Schleier, der seinen Kopf zu durchziehen schien. „Leider ja, Bern. Ich habe mein Gen zu sehr erschöpft. Würdest du bitte Draden Dale benachrichtigen?"
„Selbstverständlich, Ellowen. Aber erlaubt, dass ich Euch zuerst nach Hause begleite." „Danke. Sehr aufmerksam von dir." Mayn stützte sich auf den angebotenen Arm. Ein ungünstiger Zeitpunkt, um krank zu werden. Wenigstens wusste er, wie er sich wieder verjüngen konnte. Bevor der Tag zu Ende ginge, würde er wieder wohlauf sein. Er brauchte nur ein wenig Ruhe.
Nachdem er Ellowen Mayn nach Hause begleitet hatte, eilte Bern zum Grenzhaus. Sämtliche Ellowen siechten dahin — das Leck im Grenzhaus verwirrte ihren Geist und die Heimsuchung ihrer Träume durch die Eben entkräftete ihr Gen. Der schwarze Unsichtbarkeitszauber von Camber zeigte offenbar ganze Wirkung - Bern hatte keinen einzigen Ellowen zum Grenzhaus gehen sehen, seit sie den schwarzen Unsichtbarkeitszauber ausgesprochen hatte.
Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Mayn, wie Renaiya, die Nacht nicht überlebte. Der Sanginer! Welch ein Sieg. Es hieß, Mayn sei allen anderen Heilern weit überlegen, er war der älteste und weiseste von allen. Und doch war er besiegt worden, ohne auch nur zu ahnen, dass er sich in einem Kampf befand. Fast wünschte sich
Bern, den Kampf offen führen zu können, mit einem Gegner zu ringen, der die Chance hatte, ihn zu besiegen. Sara kam ihm in den Kopf. „Du bist ein Nichts, Bern......"
Sie tat ihm Unrecht. Er war viel mehr als ein Nichts. Er hatte ihre Kräfte richtig eingeschätzt, als er sie dazu gebracht hatte, die Zaubersiegel und den Schutzkäfig zu durchbrechen. Der letzte Tezzarin war fort! Er hatte vom ersten Augenblick an gewusst, wie er den Schutzzauber des Tezzarin aufheben konnte, schon seit der ersten Unterrichtsstunde von Ellowen Mayn, als Saras kraftvoll sprühendes Gen ihm ihre Gabe verraten hatte. Bern erinnerte sich daran, wie schwierig es gewesen war, Mayn in dem Glauben zu lassen, er selbst sei nur ein dummer Novize mit der Gabe der Draden. Bern sprach die Worte, die Camber ihn gelehrt hatte, um den schwarzen Unsichtbarkeitszauber zu bannen. Dort, wo eben noch ein einfacher Steinhaufen zu liegen schien, wurde das Grenzhaus sichtbar. Er öffnete es mit seinem Schlüssel. Er hielt die Tür verschlossen, denn Camber hatte, obgleich sie ein treuer Ebromal war, kein Anrecht auf diesen Ort. Nur er war seiner Kraft würdig. An diesem Tag hatte er das Messer dabei, das ihm vom Obersten Ebromal Bellandras geschickt worden war. Ahnungslos hatte Dradin Hester es ihm überreicht. Die am Tor angebrachten Zaubersiegel, die seit dem Verschwinden des letzten Tezzarin äußerst geschwächt waren, hatten bei der Lieferung des Messers eine matte
Warnung abgegeben. Die Draden aber hatten sich auf ein verdächtiges Kräuterbüschel gestürzt, das separat verpackt zur gleichen Zeit gebracht worden war und nur dazu diente, ihre Aufmerksamkeit abzulenken. Niemand hatte auf das harmlose Päckchen für Bern geachtet Bern saß mitten im Grenzhaus auf dem Boden und hielt ehrfürchtig das Messer des Ebromal in der Hand. Seine kurze, scharfe Klinge konnte selbst durch Stein schneiden. Wenn Bern sein Vorhaben für diesen Tag vollbrächte, würde das Messer nicht nur durch Stein, sondern auch durch alle Zauberschichten dieses Ortes schneiden können.
Bern war immer noch wie geblendet von der Kraft, die die Ellowen dem Raum verliehen hatten. Als er zu sprechen begann, spürte er die Kraft, die sich strahlenförmig bündelte und, seinem Willen gehorchend, dem Messer eine nie da gewesene, tödliche Schärfe verlieh. Als er fertig war, ruhte er sich ein wenig aus. Er hatte jeden Zentimeter des
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