Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
Vom Netzwerk:
dass Dorjans Lebenskraft fast verloschen war. Sie hatte solche Angst, er könnte sterben, dass sie es kaum schaffte, ihn die paar Schritte von der Straße zu tragen. Sara sank zu Boden. Sie lehnte sich gegen den Fels und fluchte und betete in einem Atemzug — schalt Dorjan ein Kind, weil er seine letzte Kraft verausgabt hatte, pries ihn, weil er sie gerettet hatte, und flehte Gott um Hilfe an.
    Maeve nahm den Traumwenstein, der immer noch an den Fetzen ihres einstigen Sklavenhemdes hing. Sie legte ihn auf Dorjans Stirn. Er atmete noch - schwach und langsam, aber Atem bedeutete Leben. Maeve wollte ihm ihre Hände auf die Brust legen und für ihn singen. Aber sie dachte an Orlo. Er war bei ihrem Gesang gestorben. Was, wenn sie nur seinen Tod herbeiführte? Sara sah sich um. „Ich frage mich, welches Ziel Dorjan ansteuerte, dass wir hier gelandet sind?" Maeve schlug sich an die Stirn. „Devin!", schrie sie. „In der Kutsche muss Devin gewesen sein." Sie sprang auf. Der Felsen, in dessen Schatten sie sich ausruhten, war die größte Erhebung, die sie sehen konnte. Sie suchte nach einem Halt und zog sich an der Seite hoch, um die Gegend zu überblicken. Vor ihr lag die Wüste, die Hitze flimmerte über Sand und Felsen, deren Farben von gelb zu orange gingen. Obwohl die Gegend auf den ersten
    Blick leblos wirkte, sah Maeve von ihrem Aussichtspunkt aus Eidechsen vorüberhuschen und Ansammlungen stachliger Kakteen. Die Straße - eine grob gezackte Linie von Ost nach West - zerschnitt das Land. Weit im Osten konnte sie einen blauen Rand ausmachen, den sie für das Minwendameer hielt. Im Westen führte die Straße über einen kleinen Hügel, hinter dem eine Festung, rostrot wie die sie umgebende Wüste, emporragte. Sie war nicht sehr weit entfernt - Maeve konnte sogar eine Kutsche vor dem Tor erkennen und sah, wie Männer mehrere Jungen aus der Kutsche zerrten. Als sie Devins festen Gang und sein blassgelbes Hemd erkannte, stockte ihr der Atem. Die Wüstenfestung.
    Von der Straße abgesehen, war die Festung das einzige menschliche Zeichen weit und breit. Maeve überlegte, wie weit sie von Mantedi entfernt waren. Ihre Erleichterung, Devin lebend zu sehen, mischte sich mit der Angst, er könnte wieder versklavt werden. Sie stellte sich vor, sämtliche Sklavenbesitzer in Sliviia würden in eine ummauerte Stadt gesperrt werden und müssten sich gegenseitig bedienen.
    Sie kletterte wieder nach unten. Dorjan lag immer noch bewegungslos da, sein Atem ging flach und unregelmäßig. Sie erzählte Sara, was sie gesehen hatte.
    „Wer auch immer Devin geraubt hat, möchte ihn bestimmt zum Arbeiten einsetzen", meinte Sara. „„Um ihn zu töten, hätten sie ihn nicht bis hierher gebracht."
    Maeve nickte. Ihr fiel auf, wie blasig Saras Haut war. Zum Glück spendete der Felsen etwas Schatten. Aber was sollten sie ohne Wasser tun? Würde der Bruder, den sie erst gestern im richtigen Leben kennen gelernt hatte, heute an ihrer Seite sterben? Und wie konnte sie Devin helfen?
    „Wir brauchen Wasser", sagte Sara, als würde sie Maeves Gedanken lesen, „aber ich will Dorjan nicht allein lassen."
    Auch Maeve wollte das nicht. „Ich habe nirgends Wasser gesehen, obwohl, in der Festung gibt es bestimmt welches."
    Blut quoll aus Saras aufgesprungenen Lippen. „Vom offenen Meer zur offenen Wüste", sagte sie traurig, „die Sonne verfolgt mich. Ich habe immer gedacht, Hunger sei das Schlimmste, aber jetzt weiß ich, dass es nichts Schlimmeres gibt als Durst. Trotzdem bin ich so hungrig, dass ich eine Eidechse essen könnte, wenn sie nicht so schnell entwischen würden." Sie blinzelte. „Wenn die Sonne untergegangen ist, werden wir Wasser finden."
    Dorjan war zu schwach zum Stehen, und Sitzen war eine Qual. Um sich sah er nur karge Landschaft, in der Ferne kahle, leblose Hügel und drohend am Horizont eine unbewegliche Sonne. Als er das Ödland nach irgendeinem Zeichen von Wasser oder Pflanzen absuchte, leckte der heiße Wind die kostbaren Spuren von Feuchtigkeit von seiner Haut. Neben ihm verlief ein ausgetrocknetes Flussbett, dessen lehmiger Grund zu klaffenden Rissen gebrannt war. Durch seinen Kopf sprühten Erinnerungen wie Funken von Zunder. Sara. Maeve. Ich habt sie Mitgenommen. Wo sind sie? Es gelang ihm, sich einmal um sich selbst zu drehen, obwohl ihm jede Bewegung Schmerzen bereitete. Sengend heiße Öde überall, so weit er sehen konnte. Doch halt - dort in der Ferne, bei den kalkigen Hügeln, bewegte sich die flimmernde Luft ein

Weitere Kostenlose Bücher