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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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zeigen", sagte sie.
    Sanft berührte sie mit beiden Händen seinen Kopf, und mit einem Mal schien er im hellen Sonnenschein zu fliegen, Teil von ihm zu werden und immer höher zu steigen. Sein Blickfeld weitete sich und er konnte über die ganze Welt sehen. Er sah einen lebendigen Planeten, geschmückt mit Pflanzen und Tieren, Wasser und Feuer, Vögeln und Fischen. Er sah Menschen, sah ihre Seelen. Manche glühten schwach, andere strahlten wie kleine Sonnen, wieder andere waren leblos und grau. Und er sah noch etwas anderes - eine glänzende, silberne Haut, die dies alles umhüllte. „Die Silbergrenze", sagte Ellowen Renaiya. „Schau genau hin", sagte seine Großmutter. Dorjan entdeckte einzelne grautrübe Punkte in der glänzenden Hülle. „Die körperliche Welt ist nicht mehr sicher", sagte Ellowen Mayn.
    Das Bild veränderte sich. Nun sah Dorjan ein graues Leichentuch, das die Welt bedeckte. Selbst das Wasser glitzerte nicht mehr. Und die Menschen - die strahlenden Seelen, die er eben noch gesehen hatte — waren verschwunden. Alles war matt und leblos geworden.
    „Nein", sagte er, „das kann nicht geschehen sein." „Noch ist es nicht geschehen", hörte er Marina sagen. „Aber die Grenze ist in Gefahr." Die Vision verschwand so schnell, wie sie gekommen war, Dorjan konnte kaum begreifen, was er gesehen hatte. Seine Großmutter - tot? Die Ellowen tot? Er fühlte sich unbehaglich, obwohl er in den Auen des Wen war. Die friedlichste Stätte aller Reiche - und trotzdem, fühle ich mich nicht wohl.
    „Die Silbergrenze wehrt den Schattenkönig ab", erklärte Marina. „Und nun wird sie zerstört" Dorjan wusste nicht, was er machen sollte. „Warum habt Ihr mir das gezeigt? Und warum bewahrt Ihr diese Grenze nicht vor der Zerstörung?" „Die Grenze kann nur von den Lebenden zerstört werden und nur die Lebenden können sie wieder zusammenfügen", sagte Ellowen Mayn. „Wir können nicht mehr in die körperliche Welt zurückkehren. Du aber, Dorjan, du kannst es."
    Mayn sprach weiter, erzählte von der Silbergrenze und der Burg der Heiler, von dem so genannten Grenzhaus, das Jahrhunderte lang den Ellowen dazu diente, die Silbergrenze zu hüten. Die ganze Zeit, während Mayn sprach, hoffte Dorjan, Marina würde ihn unterbrechen und sagen, dass das alles nicht wahr und nur ein gewöhnlicher Albtraum sei.
    Doch sie schwieg und Ellowen Mayn fuhr fort. „Heute Nacht, Dorjan, wird die Grenze fallen. Nur ein Mensch
    aus der körperlichen Welt kann es noch verhindern."
    Dorjan fühlte sich immer unbehaglicher. Renaiya klopfte ihm auf die Schulter. Sie zog ein winziges Fläschchen aus ihrem Gewand. „Nimm das", sagte sie. „Trink."
    Das Fläschchen war glasklar und enthielt eine glitzernde Flüssigkeit. „Was ist das?"
    „Das ist das Elixier des Wen", antwortete sie. „Es wird dich von den Strapazen deiner Traumreisen heilen." Dorjan senkte den Kopf. „Das kann ich nicht annehmen."
    „Nimm es. Du musst wieder zu Kräften kommen." Dorjan dachte daran, wie ausgelaugt er nach Maeves Rettung gewesen war. Und er dachte an das trockene, rissige Flussbett, wo Marina ihn gefunden hatte. Verlangend sah er auf die glitzernde Flüssigkeit. „Ich verdiene es nicht Ich habe die Gesetze der Traumwen gebrochen. Viele Male."
    Ellowen Mayn trat dicht an ihn heran. „Auch als du die Gesetze des Wen brachst, hieltest du den Geist aufrecht, der diese Gesetzte schuf. Du handeltest nicht aus Gier, Zorn oder Machthunger. Sonst könnten wir dir diese Essenz nicht anbieten."
    Dorjan sah seine Großmutter an. Marina nickte. Ehrfürchtig nahm er das Fläschchen entgegen, öffnete es, legte den Kopf nach hinten und trank die kostbaren Tropfen. Ein Schwindel erregendes Gefühl bemächtigte
    sich seiner, als sei das silberne Licht, das über der Wiese lag, plötzlich in Flüssigkeit getaucht. Er spürte eine übermächtige Kraft in sich.
    Er verneigte sich tief. „Ich danke Euch." Als er sich wieder aufrichtete, sahen ihn alle drei still an. Er seufzte. „Nun sagt mir, wie die Grenze gerettet werden kann." Ellowen Mayn beschrieb ihm die Geheimnisse des Grenzhauses, erzählte, wie Bern und Lowen Camber einen Komplott geschmiedet hatten, um es zu zerstören. „Aber es besteht immer noch eine Chance, dass es gerettet wird - wenn du rechtzeitig dorthin kommst." „Muss ich zur Burg der Heiler zurück?" „Ja. Folgendes musst du dabei beachten." Ellowen Mayn erging sich in langen, komplizierten Anweisungen. „Bevor du gehst, Dorjan, hör gut

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