Die Vogelfrau - Roman
Familienname: Özdemir. Geboren: 15. September 1972. Geburtsort: Köln. Beruf: Putzmann.
»Schreiben Sie ruhig abgeschlossenes Studium der Germanistik. Aber so jemand wie ich hat ja sowieso keine Chance, in den Staatsdienst übernommen zu werden.«
Kann schon sein. Der sieht wirklich nicht besonders staatstragend aus, dachte Cenk und musterte den mächtigen Bart seines Gegenüber. Kann sein. Aber Ayse mit Kopftuch hätte es mit ihren Berufswünschen genauso schwer gehabt. Zumindest im Ländle. Warum war er nicht in Köln geblieben? Im Rheinland dachten die Menschen weniger eng.
»Staatsangehörigkeit also deutsch?«
»Korrekt, Kollege, absolut korrekt. Hier ist mein Personalausweis.« Er schnippte die kleine Plastikkarte mit seinem Konterfei auf den Tisch. Das plastifizierte Bild sah aus wie ein Fahndungsfoto.
»Wann haben Sie denn die Räumlichkeiten im Museum zuletzt betreten?«
»Samstagmittag. Wir hatten so etwas wie Großreinemachen in den Büros, dafür nutzen wir gerne das Wochenende, wenn die Professoren nicht arbeiten.«
»Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«
»Na ja – ich weiß nicht, ob das wichtig ist – aber der Hoffmann, ich meine der Professor Hoffmann, also der Verstorbene, der hatte sich in seinem Büro eingeschlossen. Seine Assistentin hat mir gesagt, er will auf gar keinen Fall gestört werden. Und sozusagen als Ausgleich sollte ich ihr Büro ganz besonders gründlich putzen. Ehrlich gesagt, das war auch dringend notwendig. Unglaublich, in was für einem Dreck diese Archäologen arbeiten können.« Özdemir schüttelte sich und zog die schneeweißen Manschetten seines Hemdes gerade. »Na ja, vielleicht liegt es auch daran, dass die von Berufs wegen sowieso ständig im Dreck wühlen. Dann fällt es vielleicht gar nicht mehr so auf.«
»Wie lange waren Sie denn im Bürotrakt zugange, Herr Özdemir?«
Özdemir überlegte lange und rechnete nach. »Genau weiß ich es nicht mehr, aber ich muss gegen halb sechs fertig gewesen sein.«
»Und Ihnen ist nichts aufgefallen? Kein fremder Besucher, kein lauter Wortwechsel, keine Geräusche wie von einem Kampf oder dass ein schwerer Gegenstand auf den Boden gefallen wäre?«
Özdemirs Gesicht war so offen, wie es in dem wilden Bartgestrüpp nur sein konnte. »Nein, sicher nicht. Ich habe nichts Ungewöhnliches gehört.«
Cenk schloss sein Notizbuch. »Das wärs fürs Erste. Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, hier ist meine Karte. Rufen Sie mich ruhig an. Manchmal sind auch kleine Details wichtig.« Er reichte Özdemir zum Abschied die Hand. »Eines würde mich noch interessieren«, sagte Cenk. »Es ist aber rein privat. Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen.«
»Und das wäre?«
»Welche Partei wählt jemand wie Sie? Das frage ich mich die ganze Zeit.«
Özdemir lächelte breit. Rund um seine Augen sprangen viele kleine Lachfältchen auf. »Na, die Republikaner, was denn sonst«, gab Özdemir mit entwaffnender Freundlichkeit zurück.
»Die Reps ...?« Cenk geriet ins Stammeln. Wollte der ihn für dumm verkaufen?
»Natürlich. Was sonst?« Özdemir klopfte ihm im Hinausgehen auf die Schulter. »Es gibt sowieso viel zu viele Ausländer in Deutschland. Finden Sie nicht auch, dass irgendjemand dagegen endlich mal was unternehmen muss?«
Cenk sah ihm mit offenem Mund nach.
Kommissar Bloch erkannte die Stimme seiner Exfrau nicht auf Anhieb. Vielleicht lag das an den Nebengeräuschen im Handy. Vielleicht lag es aber auch an ihrer Art zu sprechen.
»Brigitte? Bist du das? Wart mal g’schwind, ich fahre rechts ran«, sagte er und suchte nach einer Parklücke. Er stand kurz vor dem innerstädtischen Grenzübergang nach Kreuzlingen. Der Verkehr staute sich wie üblich. Er hatte kurz darüber nachgedacht, eine andere Strecke zu fahren, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass er sowieso nie ohne Stau aus Konstanz herauskam.
»Was ist los?«
Es war tatsächlich die Stimme seiner Ex-Frau. Verzerrt, aber unverkennbar. In ihr rauchiges Timbre hatte er sich damals verliebt. Ihre hastige und abgehackte Sprechweise, wenn sie sich aufregte, hatte er jedoch gehasst.
In den letzten Monaten ihrer Beziehung hatte sie sich ständig aufgeregt und auch jetzt schien sie extrem unter Stress zu stehen.
»Sprich doch bitte langsamer. Ich verstehe dich wirklich schlecht.«
Immerhin hatte er mitbekommen, dass Eva verschwunden war.
»Das ist doch nicht das erste Mal, Brigitte.«
»Stimmt, aber diesmal hat sie alles dagelassen, sogar ihre
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