Die Vogelfrau - Roman
helfen. Nein, tut mir leid. Ja, Brigitte. Ja. – Dann tu, was du nicht lassen kannst.«
Cenk kraulte Churchill, der endlich aufgehört hatte zu bellen.
»Ärger?«
»Ach, die Eva ist mal wieder weg. Und meine Ex dreht fast durch. Es ist jedes Mal dasselbe. Irgendwie kann ich das Mädel sogar verstehen. Ich habe es mit Brigitte ja auch nicht ausgehalten.«
Wenn etwas mit Eva wäre, dann würde ich es spüren, dachte Bloch. Auf meine innere Stimme konnte ich mich schon immer ganz gut verlassen. Seine innere Stimme schwieg. Also war Eva in Sicherheit.
Der Kommissar schaute auf seine Armbanduhr. »Um 15 Uhr haben wir die gemeinsame Konferenz im Präsidium. Sind wir eigentlich vorbereitet, Cenk?«
»So gut es eben ging, Chef.« Cenk lächelte schwach.
»Viel haben wir ja nicht gerade, was wir präsentieren können. Aber was solls. Los, fahren wir vorher noch einen Happen essen. Ein Kaffee wäre auch nicht schlecht.«
15. Kapitel
Durch das offene Fenster kann ich meinen Vater sehen. Er steht im Garten und unterhält sich mit einem jungen Mann, der aussieht wie ein Türke oder wie ein Italiener. Sie haben einen ziemlich fetten, hässlichen Hund dabei, der wie verrückt bellt.
Seit wann hat mein Vater einen Hund? So einen Hund kann nur mein Vater haben. Er passt zu ihm.
Es ist sicher kein Polizeihund. Polizeihunde gehorchen nämlich.
Eben hatte ich Angst, dass sie mich in meinem Zimmer vergessen haben. Seit der Sache mit dem Wasserkanister halten sie nämlich die Tür verschlossen. Adler hat es mir genau erklärt und ich war einverstanden. ›Es ist nur zu deinem eigenen Schutz‹, hat er zu mir gesagt. Damit ich keinen Unsinn mehr mache und dann solche Angst haben muss wie heute Nacht. Ich bin Adler wirklich dankbar. Er hat mich nicht angeschrien. Aber er hatte furchtbar traurige Augen. ›Wohin willst du laufen, Eva‹, hat er gesagt. ›Geh, wohin du willst. Aber du weißt doch, vor dir selbst kannst du nicht davonlaufen!‹ Er hat recht. Er ist der Meister.
Aber dann musste ich auf die Toilette. Unten saß mein Vater bei Adler und Topsannah. Ich hatte keine Ahnung, was er hier wollte. War er wegen mir gekommen? Aber woher sollte er wissen, dass ich jetzt bei Adler wohne? Woher?
Ich bekam wieder Angst. Ich musste auf die Toilette. Dringend. Ich trinke jetzt sehr viel, um dieses ständige Hungergefühl zu betäuben. Ich habe nicht geahnt, dass es so schwierig wird. Ich habe schon seit langer Zeit sehr wenig gegessen. Da sollte es doch kein großes Problem sein, ganz damit aufzuhören. Ich dachte, es wird leichter. Aber ich denke den ganzen Tag ans Essen. Ich schäme mich dafür.
Ich wagte nicht, laut zu rufen. Also habe ich an die Heizungsrohre geklopft. Dann an die Tür. Dann auf den Holzboden. Zuletzt habe ich mit dem Stuhl hin und her gescharrt und mir überlegt aus dem Fenster zu klettern. Ich konnte doch nicht in die Ecke pinkeln. Aber die Weinranken, die bis zum Dach hochklettern, sind zu schwach. Sie würden mich nicht tragen. So habe ich weiter gescharrt und geklopft.
Topsannah ist dann auch irgendwann reingekommen.
Jetzt gehen sie weg. Mein Vater hat lange telefoniert. Er ist kaum zu Wort gekommen und schien sehr ärgerlich. Er hat einen anstrengenden Beruf. Schade eigentlich, dass er immer zu spät kommt. Mein Vater wird immer erst dann gerufen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Topsannah hat mich erst einmal ausgeschimpft. So, als ob ich etwas dafür könnte, dass meine Blase voll ist. Ich habe aber nicht viel gesagt. Ich konnte nicht mehr.
Eigentlich mag ich Adler lieber. Adler sagt, ich muss lieb zu Topsannah sein. Sie hat schwere Zeiten durchgemacht, als sie ihre Tochter verloren hat. Topsannah weiß es noch nicht so richtig. Sie hofft immer noch, dass die Tochter wieder zu ihr zurückkommt. ›Glaub ja nicht, dass du bist wie sie‹, hat sie mich angeschrien. ›Meine Tochter war tausendmal mehr wert als du. Du kannst sie niemals ersetzen.‹ Ich bin ganz ruhig geblieben. Adler hat mir beigebracht, wie man atmen muss, damit man vollkommen zur Ruhe kommt. Ich kann es schon ziemlich gut. Ich werde besser sein als Topsannahs Tochter. Die hat sich nämlich nicht genug Mühe gegeben. Adler sagte, sie hat ihn sehr enttäuscht. Deshalb musste er sie auch wegbringen. Er hat es Topsannah aber noch nicht gesagt. Er liebt sie sehr und er möchte ihr nicht wehtun.
Ich werde es besser machen, das weiß ich.
Ich werde den Meister nicht enttäuschen.
Aber wenn sie mich noch einmal so
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