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Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
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einem Zeugen Jehovas unterhalten. Er meinte, sich an ganz ähnliche Aussagen zu erinnern.
    »Dann gibt es also schon länger Indianer in unserer Region, Herr Adler? Wir wissen bereits von mehreren Indianervereinen und ein gewisser Herr Wau-pee hat uns einiges berichtet.«
    »Ach, Wau-pee, das ist ein ganz übler Geselle. Ein Verräter an der Sache, ein Geschäftemacher. Diese großen Kinder, die nur am Wochenende ein bisschen Indianer spielen wollen, die gehören natürlich nicht dazu. Nur die, die reinen Herzens sind, und diejenigen, welche die innere Stärke besitzen, über ihre eigenen Grenzen zu gehen. Nur diese gehören dazu. Und es sind nicht viele, das können Sie mir glauben.«
    Topsannah war wieder zurückgekehrt. Sie schaute mit einem andächtigen Ausdruck auf ihren Mann und saugte offenbar jedes einzelne Wort wie ein Gebet auf.
    »Dann ist es also denkbar, dass schon länger Bestattungen nach indianischem Ritus auch im Bodenseeraum stattfinden, Herr Adler?«
    »Durchaus denkbar, Herr Kommissar, durchaus. Aber seit den 50er-Jahren ist das sicher schwierig geworden. Wie Sie wissen, ist das Bestattungswesen in Deutschland fürchterlich bürokratisch reglementiert. Denken Sie nur einmal an die Muslime, die traditionell ihre Toten nur in Tücher gewickelt bestatten. Das ist bei uns alles nicht erlaubt. Wie viel schwieriger ist es dann, eine traditionelle indianische Luftbestattung zu bewerkstelligen. Das geht nur in allergrößter Heimlichkeit – sozusagen als subversiver Akt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Bestattung heutzutage noch möglich wäre. Früher, ja früher, da hat es das sicher noch gegeben. Es gibt da mündliche Überlieferungen. Ja, durchaus ...«
    Adler brach mitten im Satz ab. Mehr hatte er nicht zu sagen.
    Draußen im Auto bellte der Hund wie verrückt.
    »Ich glaube, wir müssen ihn mal rauslassen, Chef.«
    »Den Hund habe ich wirklich total vergessen.« Bloch kam mühsam wieder auf die Beine. »Ich nehme an, er wird es mir verzeihen. Wissen Sie, ich habe ihn erst seit gestern.«
    »Mein Mann mag keine Haustiere«, meldete sich Topsannah zu Wort. »Er sagt immer, die sind alle sowieso völlig überzüchtet.« Sie legte sich schnell die Hand auf den Mund. Adler schwieg und begleitete die beiden Männer nach draußen.
    Bloch schlüpfte eilig in seine Schuhe und ging zum Auto. Churchill sprang heraus, aber anstatt sich am nächstbesten Baum zu erleichtern, raste er mit einer Geschwindigkeit, die man ihm bei seiner Fettleibigkeit gar nicht zugetraut hätte, zur Haustür. Er drängelte sich am verblüfften Adler vorbei und legte sich quer vor die Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte.
    Dort lag er und hörte nicht auf zu bellen. Bloch kam eilig zurück. Peinlich berührt zerrte er an Churchills Halsband, blieb aber ohne jeden Erfolg. »Wie gesagt«, schnaufte er. »Ich habe ihn erst seit gestern und ich bin vorgewarnt worden, dass dieser Hund sehr schlecht erzogen ist. Aus, Churchill! Aus! Lass das! Hör sofort auf zu bellen!«
    »Ihre Schuhe!« Adlers Blick war wie blaues Eis. »Sie haben mit Ihren Schuhen mein Haus betreten.«
    Bloch konnte spüren, wie sein Blutdruck stieg. Wahrscheinlich war er puterrot im Gesicht. Er trat, den ununterbrochen bellenden Hund am Halsband hinter sich herschleifend, den ungeordneten Rückzug an.
    »Ich hoffe, wir dürfen Sie noch einmal belästigen, Herr Adler, falls wir weitere Fragen haben.« Cenk überreichte Adler mit formvollendeter Höflichkeit eine Visitenkarte.
    »Wenns sich nicht vermeiden lässt«, knurrte Adler und schloss die Haustür.
    Noch bevor Bloch das Gefühl seiner vollkommenen Blamage komplett auskosten konnte, fiepte das Handy in seiner Jackentasche. Der Himmel riss auf und übergoss sie mit goldenem Herbstlicht. Bloch blinzelte nach oben. Die Weinranken loderten wie Flammen gegen den stahlblauen Himmel. Im oberen Stock bewegte sich ein Fensterflügel.
    »Brigitte, bist du es? ... Nein, ich habe noch nichts gehört. Wie lange hat es denn das letzte Mal gedauert? –
    Wie? Ich verstehe dich nicht, die Verbindung ist schlecht. – So – jetzt ist es besser. – Was heißt das, ich rede mich immer nur raus? – Brigitte. Ich habe lediglich gefragt, wie lange es das letzte Mal ... Ja genau. – Also, fünf Tage. Jetzt sind es zwei. –
    Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Sicher nicht. Aber ich meine wirklich, du machst dir zu viele ...
    Wie – das lass mal meine Sorge sein? – Ja, dann kann ich dir auch nicht

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