Die Vogelfrau - Roman
Sie wollen, können Sie mich mal ablösen ...« Merten hielt sich offenbar für unwiderstehlich.
»Kann ich den Hund bei Ihnen lassen, Herr Merten?«
»Sicher, die beiden verstehen sich ja prima – lassen Sie ihn nur da. Komm Churchill, komm mal her. Ich hab da was für dich.« Merten griff in die Jackentasche und Churchill folgte ihm aufs Wort. Sein fettes Hinterteil wackelte begeistert hin und her.
Churchill war bestechlich.
17. Kapitel
Erfahrungsgemäß half Bloch die Atmosphäre des Tatortes, sich besser in die Denkweise des Mörders hineinzuversetzen. Es hieß, ein Täter käme immer wieder an den Ort des Geschehens zurück. Für einen Ermittler wie Bloch galt das ebenfalls.
In der Totenkammer hörte er ein Geräusch. Bloch trat leise näher. Es war dunkel, der irrlichternde Strahl einer kleinen Taschenlampe erlosch und das Gerät fiel klappernd auf den Boden.
»Kann hier mal jemand Licht machen oder muss ich erst den Sicherheitsdienst rufen?« Bloch war vollkommen ruhig. Er atmete konzentriert. Er war hellwach.
»Moment, ich mache Licht.« Es war eine Frauenstimme. »Es dauert ein wenig. Ich muss erst den Schalter finden.«
Er hörte sie in einer der Vitrinen herumtasten. Endlich flackerte bläuliches Neonlicht auf. Christina Löbles Gesicht war von einer fast überirdischen Blässe. Sie hielt eine flache Pappschachtel fest umklammert. Darin lagen fünf menschliche Schädel. Die Fingernägel der Löble waren extrem kurz geschnitten und ihre Fingerspitzen trugen noch immer die schwarzen Farbspuren der erkennungsdienstlichen Behandlung.
»Frau Löble, was machen Sie denn da?«
Es war vollkommen unnötig, diese Frage zu stellen.
Die Löble gestand dann auch fast unmittelbar. Sie könne sich auch nicht erklären, warum sie jetzt noch versucht habe, die Schädel auszutauschen. Vielleicht ein letzter Liebesdienst für Professor Hoffmann? Es sei ja sowieso alles ein elender Betrug gewesen.
Bloch brauchte jetzt dringend eine Tasse Kaffee. Merten freute sich. In seinem Kabuff stand immer eine volle Thermoskanne.
»Na dann.«
Merten stand entschlusslos in der Tür und starrte neugierig auf den Rücken der Löble, die unter seinen Blicken abwehrend die Schultern hochzog.
»Herr Merten, Sie haben doch sicher noch einiges zu erledigen, oder?«
Herrgottnochmal, verstand der Kerl denn nicht, dass seine Anwesenheit hier unerwünscht war?
»Ja, dann – dann gehe ich mal.« Mertens Tonfall klang ganz eindeutig tief gekränkt.
Bloch atmete durch. »Sie brauchen einen Anwalt, Frau Löble. Sie wissen, dass Sie ohne Ihren Anwalt gar nichts sagen müssen?«
»Ich will aber aussagen. Es kommt doch sowieso alles raus.« Ihre Augen waren leblos, wie ausgelöscht, während sie leise, aber präzise ihre Sätze ausspuckte. Da war kein Zögern in ihrer Stimme. Wahrscheinlich war sie in ihrer Fantasie schon zu oft in dieser Situation gewesen, um noch länger Widerstand zu leisten. Jetzt spulte sie nur eine bis zum Überdruss eingeübte Rolle herunter. Dafür brauchte sie nicht weiter nachzudenken.
Kommissar Bloch kannte diese Stimmung, die einem Geständnis vorausging, nur zu gut. Eine schwebende, ungewisse Spannung hielt die Waage in einem zitternden Gleichgewicht. Nur ein Atemzug noch, dann würde das Ganze kippen.
Die Löble holte tief Luft. Bloch machte sich bereit.
»Ich habe ihn nicht umgebracht.«
Die Luft war raus. Bloch pfiff leise durch die Zähne. So eine Pleite. Was hatte sie da gesagt?
Sie zupfte an ihrem Pullover herum. Zupfte. Begegnete kurz Blochs Blick.
Auf einmal hatte sie lebendige Augen. Lebendig, aber hart. Hart wie blank polierte Flusskiesel.
»Ich habe viel Mist gebaut in letzter Zeit, aber ich habe Hoffmann nicht ermordet. Nein, das nicht.«
»Was meinen Sie mit ›Mist gebaut‹, Frau Löble?«
»Haben Sie kein Diktiergerät dabei, um meine Aussage aufzuzeichnen?« Sie schaute misstrauisch. Überwach. Die Löble war nicht dumm. Besonders klug schien sie aber auch nicht zu sein.
»Sollen wir rübergehen ins Präsidium?«
»Nein, besser wir bringen es hier zu Ende.« Sie nahm einen Schluck Kaffee. Bloch tat es ihr nach. Der Kaffee schmeckte lauwarm und bitter.
Betrüger, dachte er. Merten war ein elender Betrüger. Ihm so ein Spülwasser anzubieten.
Die Löble grinste, als sie die Tasse zur Seite schob. »Bei Merten habe ich noch nie einen guten Kaffee bekommen. Der wird es nie lernen!«
»Sie waren also öfters nachts hier, Frau Löble?« Bloch legte das Notizbuch aufgeschlagen vor
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