Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
Vom Netzwerk:
Kreislauf zwischen Saat und Ernte, zwischen dem Sterben des Maiskornes, das in die Erde gelegt wird, der Auferstehung als riesenhafte Pflanze und dem Sterben während der Ernte, wodurch der Keim zur neuen Aussaat wieder gelegt wird. Sehen Sie die Zeichen hier? Das dort sind Maiskörner. Hier sieht man einen Maiskolben. Er ist gleichzeitig auch ein Symbol für das aufgerichtete männliche Geschlecht, also ein Fruchtbarkeitssymbol im doppelten Sinne.« Das Ziehen in der Leistengegend verstärkte sich. Bloch versuchte es mit einer knienden Haltung. Cenk konnte ein leises Grinsen nicht unterdrücken. Halts Maul, dachte Bloch, obwohl Cenk nichts gesagt hatte. Geschlechtsteil, na so was.
    »Das Amulett wurde dem Toten mit auf die Reise gegeben, damit er auf seinem langen Weg durch die verschiedenen Unterwelten niemals das Ziel aus den Augen verliert.«
    »Welches Ziel, Herr Adler?« Bloch hatte endlich eine einigermaßen erträgliche Sitzhaltung gefunden.
    »Wir nennen es Wiedergeburt in Vollkommenheit, Herr Kommissar.«
    »Denn die Toten sind nicht tot, Herr Kommissar.« Topsannah wiederholte es wie ein Echo, wie ein Mantra. Sie knotete ihre Hände ineinander und sah ihren Mann von der Seite an.
    »Ich glaube, dass ich nun einiges besser verstanden habe. Vielen Dank.« Nun taten ihm die Knie weh. »Eins möchte ich aber noch wissen: Wie wird man denn Mitglied bei so einem Indianerstamm? Wird man da hineingeboren oder, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, kann man da auch eintreten, wie in einen Verein sozusagen?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie eigentlich hinauswollen, Herr Kommissar.«
    »Nun, wir haben im Zusammenhang mit aktuellen Ermittlungen Hinweise auf das Bestehen einer indianischen Hochkultur am Bodensee. Wir wissen noch nicht, inwieweit diese Tatsache für unseren Fall relevant sein könnte. Aber wir möchten natürlich so viele Details wie möglich eruieren.«
    »Ich verstehe.«
    Über ihren Köpfen ertönte ein Geräusch. Es klang ähnlich wie das Morsen der Untersuchungsgefangenen, die sich durch Klopfen an den Heizungsrohren miteinander von Zelle zu Zelle verständigten.
    Cenk schaute überrascht zur Zimmerdecke. In Adlers Gesicht regte sich kein Muskel. Das Klopfen hörte auf. Kurz darauf ertönte ein Scharren und Kratzen.
    »Topsannah, es ist wohl besser, du gehst mal nach oben und schaust nach dem Rechten.« Mit einem knappen Lächeln wandte sich Adler an Cenk. »Dies ist ein altes Haus. Die Fenster stehen immer offen. Wir haben schon lange Marder im Haus. Manchmal treiben sie es zu toll und machen einen Heidenlärm – besonders dann, wenn sie Junge haben. Topsannah wird für Ruhe sorgen.«
    Marder im Haus. Eva war mit etwa sieben Jahren einmal von einer Schulfreundin zurückgekommen und hatte steif und fest behauptet, bei dieser Ursula daheim hausten einige Mörder auf dem Dachboden. Auch nachdem die Verwechslung aufgeklärt worden war, hatte sie lange nicht daran glauben wollen, dass es nur Marder waren, die bei der Freundin hausten, und nicht eine Bande von schwarz maskierten Schwerverbrechern, was bei ihr einen angenehmen Schauer auszulösen schien. Angst hatte sie jedenfalls nicht gehabt. Die Freundschaft der beiden Mädchen war kurz darauf auseinander gegangen, weil Brigitte wieder umgezogen war und Eva die Schule wechseln musste.
    Topsannah ging hinaus. Kurz darauf hörten sie im oberen Stock Schritte und ihre erregte Stimme. Offensichtlich war sie sehr böse. Das hätte man der kleinen, verhuschten Person gar nicht zugetraut. Sie schimpfte mit den Mardern herum wie mit einem kleinen, trotzigen Kind.
    Die Geräusche verstummten.
    »Die Prophezeiungen der Hopi-Indianer sind schon seit mehr als 100 Jahren auch in der westlichen Welt bekannt. Sie betreffen die ganze Welt und sind Ausdruck tiefer Sorge über den ausbeuterischen Umgang der Weißen mit der Natur. Acht Zeichen sind bereits erfüllt, darunter die beiden Weltkriege und das atomare Wettrüsten. Sogar den Irak-Krieg hat Häuptling Weiße Feder vorausgesehen. Nun erwarten wir in Kürze das neunte und letzte Zeichen. Wir müssen uns vorbereiten. Da sich die Prophezeiung an alle Menschenkinder richtet, ist es absolut logisch, dass diejenigen, die nach den moralischen und ethischen Vorgaben der Hopi-Indianer leben, sich als Stammesangehörige bezeichnen dürfen. Dies ist eine weltweite Bewegung, aber nur wenige Auserwählte werden das Feuer der letzten großen Reinigung überstehen. Nur wenige.«
    Bloch hatte sich vor Jahren einmal länger mit

Weitere Kostenlose Bücher