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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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zu ihm und als er nicht sofort reagierte, steckte er die Waffe ein und machte es ihm mit einer Geste vor. Der junge Mann seufzte erleichtert. Es stellte sich heraus, dass er kein Wort Deutsch sprach. Er konnte ihnen folglich nicht sagen, ob er Lefeber im Gebäude gesehen hatte. Aber auch so gab es keinerlei Hinweis darauf. Inzwischen waren auch die Kollegen vom SEK im Lehrerzimmer eingetroffen. Gideon bat sie, den Rest des Gebäudes vorsichtshalber zu durchsuchen.
    »Wenn er nicht hier ist, wo dann? Und was hat er vor?«, rätselte Nora.
    »Kennt er hier jemanden?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Vor ein paar Tagen war er in der Nähe, Wein für das Abendessen kaufen.«
    »Dann checken wir den Weinladen.«
    Gideon beorderte über Funk zwei weitere Kollegen in die Egenolffstraße. Fünfzehn Minuten später kam die Meldung, der Laden sei geschlossen und der Besitzer, der in einer Altbauwohnung direkt darüber wohne, sei wohlauf, wenngleich verblüfft über den zweiten Besuch von Uniformierten innerhalb von vier Tagen.
    Nora trat wutschnaubend gegen den Stuhl, der scheppernd über den Linoleumboden rutschte und gegen die Bücherwand krachte.
    Der Reinigungsmann zog erschrocken den Kopf ein. Gideon, die Ruhe selbst, hob den Stuhl auf und stellte ihn an seinen Platz zurück. Dann klopfte er Nora aufmunternd auf die Schulter. »Komm, wir gehen erst mal an die frische Luft.«
    Draußen im Hof griff Nora beim Anblick ihres Wagens automatisch in die Jackentasche, um die Türen des Minis mit der Fernbedienung zu öffnen. Bis ihr wieder einfiel, dass Lefeber den Autoschlüssel hatte.
    Der Wagen sah erbarmungswürdig aus: Zu der stumpfen Stelle im Lack der Motorhaube, dort, wo Nora versucht hatte, die Schmierereien mit einem Reinigungsmittel zu entfernen, gesellte sich nun noch eine Delle tief wie ein Suppenteller. Das ganze Gefährt war von den Radkästen bis zum Dach dreckverkrustet. Sie würde ihren Vater um Geld für die Reparatur anpumpen müssen, sobald das hier vorbei war.
    Nora lehnte sich trotzig an die Motorhaube und ließ den Blick über die Fassaden der umliegenden Häuser schweifen.
    »Wo bist du, Adam Lefeber? Wo hältst du dich versteckt?«
    Ihre Augen suchten die Fenster ab, in denen sich der graue Himmel spiegelte, die französischen Balkone, die Glasfronten der kleinen Geschäfte, in denen die Weihnachtsdekoration trostlos vor sich hin blinkte. Ihr Blick blieb auf dem Straßenschild an der Ecke haften: Schwarzburgstraße , in weißer Schrift auf dunkelblauem Hintergrund, befestigt an einem Mast, den gleich mehrere Suchanzeigen für entlaufene Haustiere schmückten. Die Abrisszettel am unteren Rand flatterten, einige waren bereits abgetrennt. Wie Zahnlücken wirkten die leeren Stellen.
    Schwarzburgstraße – das Wort erinnerte sie vage an irgendetwas. Sie hatte es schon mal gehört. Aber das war vermutlich Einbildung. Seit einer Stunde war ausschließlich von der Schwarzburgstraße die Rede gewesen. Wenn es so weiterging, würde sie bald anfangen, schwarze Elefanten zu sehen.
    Gideons Handy gab einen Signalton von sich. Er klappte es auf und las. »Schönen Gruß von Ceyda.«
    Und auf Noras fragenden Blick hin erklärte er, dass sie eine SMS geschickt habe.
    Plötzlich ging alles ganz schnell.
    Wie in einem zurückgespulten Film, in dem sich die Scherben einer zerbrochenen Tasse wie von Geisterhand wieder zusammenfügten. Nora klappte ihr eigenes Handy auf und überflog die Liste mit den eingegangenen Nachrichten durch.
    Alles Gute zum Dreißigsten. Helfe Hartmann beim Umzug in die Schwarzburgstraße. Stoßen wir am WE an? Gruß, Gitte.
    O mein Gott.
    Hartmann war derjenige gewesen, der Lefeber verhaftet hatte!
    Eine Schuld tilgen.
    »Welche Hausnummer hat Hartmann?«
    Gideon sah sie verwirrt an. Dann schluckte er und begriff. »Verdammte Scheiße.«
    »Vier Mann mit mir!«, brüllte er über den Hof, nachdem er sich gefangen hatte. »Und du bleibst hier, du hast keine Waffe«, belehrte er Nora.
    »Und du hast dich kein bisschen verändert, du Macho«, empörte sich Nora und rannte los. Wenige Augenblicke später standen sie vor Hausnummer 20. Am Briefkasten oben in der Mitte stand W. & S. Hartmann.
    *
    Die Wohnungstür war angelehnt. Nora spürte siedendheiß die Angst in sich aufsteigen
    Gideon stieß die Tür mit seinem Stiefel auf, mit einem dumpfen Knall schlug die Messingklinke gegen die Wand. Er wollte, die Waffe im Anschlag, vorangehen, aber Nora hielt ihn am Arm fest. Ich gehe als Erste .
    Gideon

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