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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Fingerabdrücke und eine nicht zuzuordnende genetische Spur an weggeworfenen Zigarettenfiltern auf der Plattform des Aussichtsturms und auf der Flasche eines Molotowcocktails finden, der nicht in Brand gesetzt worden war. Die Fingerabdrücke sollten zu einem Namen in der Datenbank des Landeskriminalamtes führen, der auf einer Liste von V-Leuten aus der rechten Szene stand. Die Fingerabdrücke – und der Mann, zu dem sie gehörten – reisten quer durch die Republik von einem Konfliktherd zum nächsten, um das größtmögliche Chaos anzurichten, ohne von den Behörden belangt zu werden.
    Bruno Albrecht ließ man mit der Auflage, Frankfurt nicht zu verlassen und am nächsten Tag zur Vernehmung im Polizeipräsidium zu erscheinen, nach Hause fahren.
    Nora lehnte Brunos Angebot, sie mitzunehmen, kategorisch ab. Ein Mitarbeiter von Gideon Richter, Leiter der fünften Mordkommission, die an der Aufklärung der Morde an Anna Kiefer, Tobin Kiefer und Wolfgang Tibursky beteiligt war, fuhr sie nach Hause in die Gartenstraße.
    Auf der Fahrt von Scheelbach nach Frankfurt sprach sie kein einziges Wort.
    Sonntag, 1. Dezember
    Nora wurde vom Klopfen an ihrer Zimmertür geweckt. Gestern, nach ihrer Ankunft, hatte sie eine Dusche und anschließend eine Schlaftablette genommen und war sofort zu Bett gegangen. Nicht einmal Ceydas Einladung zum Abendessen hatte sie angenommen – der bloße Gedanke an Essen bereitete ihr Übelkeit.
    Sie schlief tief und fest. Als Psychologin wusste sie, dass Albträume nach traumatischen Erlebnissen erst mit Verzögerung einsetzten. Das Gehirn brauchte eine gewisse Zeit, bis es sich vom Schock erholt hatte und mit der Verarbeitung der belastenden Erfahrung begann.
    Um halb zehn öffnete Ceyda, die inzwischen von ihrem Nachtdienst zurückgekehrt war, auf Noras Aufforderung hin die Zimmertür und machte ein geheimnisvolles Gesicht.
    »Gideon bittet um eine Audienz.«
    Nora war noch gar nicht richtig wach. Sie ließ sich in die Kissen zurückfallen und seufzte. »Ich schlafe noch. Bestimmt bis heute Nachmittag.«
    Ceyda lachte.
    »Das hab ich gehört, Nora«, vernahm sie eine belustigte Stimme im Flur.
    »Hast du nicht«, rief Nora, konnte aber nicht umhin, in Ceydas Lachen einzustimmen.
    Eine kurze Atempause folgte, dann sagte Gideon: »Wir haben dein Auto gefunden.«
    Nora sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett und lief im Pyjama auf den Flur hinaus. Ihre Erschöpfung war schlagartig verschwunden. »Wo?«
    »Schwarzburgstraße. Direkt vor dem Rose-Schlösinger-Gymnasium.«
    Es dauerte einen Moment, bis Nora die Information verarbeitet hatte, aber dann wurde ihr eiskalt ums Herz. Sie rannte zur Garderobe und durchwühlte ihre Handtasche; als sie den gewünschten Gegenstand nicht fand, leerte sie den Inhalt auf dem Boden aus. »Wo ist das Scheißding bloß?«
    »Wenn du dein Handy suchst, das hast du gestern Abend zum Laden in die Küche gelegt«, sagte Ceyda.
    »Du wusstest, was er vorhat, oder?«, rief sie Gideon zu, während sie in die Küche lief.
    »Nein, deshalb bin ich ja hergekommen.«
    »Ina Franke arbeitet an dieser Schule. Wir müssen sie sofort warnen.«
    Frankes Anschluss klingelte ein gutes Dutzend Mal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Nora konnte ihre Stimme nur mühsam beherrschen, während sie Franke riet, sofort die Polizei zu kontaktieren. Gideon organisierte parallel dazu ein Sondereinsatzkommando des K50.
    Nora zog sich in Windeseile an, fünf Minuten später saßen Gideon und sie in seinem Opel und brausten ins Nordend.
    »In der Nacht ist übrigens dort ganz in der Nähe in ein Geschäft für Künstler- und Bastelbedarf eingebrochen worden.«
    »Könnte zusammenhängen.«
    »Was will Lefeber von ihr? Sie malen?«, wollte Gideon wissen, während der Wagen die Gartenstraße entlangbrauste.
    »›Ich will eine Schuld tilgen‹, hat er gesagt.«
    Dass es sich dabei um ein Bild handelte, das er zu malen versprochen hatte, stellte Nora infrage.
    *
    Nora hatte selten etwas mehr herbeigesehnt als diesen Rückruf. Doch als Ina Frankes Name auf dem Display auftauchte, musste sie sich überwinden, das Gespräch anzunehmen. Gideon raste derweil mit Blaulicht über den Kreuzbogen der Alten Brücke – vorbei an dem Brickegickel , einem goldenen Hahn an der Spitze eines eisernen Kruzifixes, das seit über sechshundert Jahren die Stelle des tiefsten Fahrwassers im Main anzeigte.
    »Wo sind Sie, Frau Franke?«
    »In der Schule, im Labor. Ich muss etwas für morgen

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