Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
Vom Netzwerk:
ein Peace-Zeichen gesprüht hatte. Manche Symbole überdauerten Generationen.
    Die Haupteingangstür war unverschlossen. Nora betrachtete das als schlechtes Zeichen. Falls Ina Franke – wovon Nora im Moment ausging – an diesem Sonntag die einzige Person im Gebäude gewesen war, hätte sie die Tür beim Verlassen der Schule gewiss verschlossen. Also musste sie sich noch im Innern aufhalten.
    Vorsichtig drückte Nora die Tür auf, sie betraten den Hauptgang. Gideon nahm seine Waffe aus dem Futteral und bot sie ihr stumm an. Nora lächelte – und lehnte ab. Was immer Lefeber vorhatte, sie hoffte, er würde sich mit Worten überzeugen lassen. Falls er Franke als Geisel genommen hatte, würde ihr die Pistole ohnehin nicht viel nutzen, zumal er ja ebenfalls über eine Schusswaffe verfügte.
    Laut Gebäudeplan, der auf einer Schautafel neben der Treppe hing, befand sich das Labor im vierten Stock, in unmittelbarer Nähe zum Lehrerzimmer und dem Büro der Schuldirektion.
    Nora schlug vor, dort zu beginnen und sich anschließend von oben nach unten vorzuarbeiten.
    Draußen brandete Lärm auf, durch die Glasscheibe in der Haupteingangstür flimmerte Blaulicht. Die Männer vom SEK würden jeden Moment den Einsatz übernehmen. Trotzdem beschloss Nora, die Suche in eigener Regie fortzusetzen. Falls Franke etwas passierte, während sie draußen bei den Kollegen Kaffee trank und wartete, dass die SEKler die Drecksarbeit leisteten, würde sie sich das nie verzeihen.
    Im vierten Stock angekommen, war Nora völlig außer Atem. Sie hastete zum Labor, doch es war verschlossen. Zumindest diesen Raum hatte Franke noch verlassen können. Auf dem Weg zum Lehrerzimmer rüttelte Nora an jeder Türklinke, ebenfalls ohne Erfolg.
    Gideons Schritte erklangen hinter ihr, er hatte den Bereich des Stockwerks unter die Lupe genommen, in dem die Schulkantine untergebracht war. Stumm schüttelte er den Kopf.
    Noras Handy ertönte. Das Läuten, das die Stille durchbrach, jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken.
    Ina Franke .
    Doch bevor Nora rangehen konnte, verstummte das Klingeln. Franke hatte versucht, sie zu erreichen, war jedoch unterbrochen worden.
    Von drinnen war ein Geräusch zu hören; jemand summte eine Melodie. Eine Männerstimme.
    Nora musterte die Doppelschwingtür, die ins Lehrerzimmer führte. Sie deutete mit dem Finger darauf.
    Wir gehen rein .
    *
    Der junge Mann, den Nora und Gideon im Lehrerzimmer überraschten, hatte ein osteuropäisches Aussehen, trug grüne Gummihandschuhe und wischte mit einem Schwammtuch über den großen Besprechungstisch in der Mitte des Zimmers.
    Als er Gideons Dienstwaffe erblickte, hob er die Hände und schrie »Ndihmë!«
    Nora und Gideon sahen sich verblüfft an.
    »Das ist er jedenfalls nicht«, kommentierte Richter.
    Nora wählte Frankes Nummer. Sie ging erst nach dem fünften Läuten ran. Im Hintergrund Stimmengewirr.
    »Ich habe versucht, Sie anzurufen.«
    »Wo sind Sie?«
    »In einem Café in Offenbach. Es heißt Coffee Resort .«
    »Offenbach? Wie sind Sie so schnell vom Nordend nach Offenbach gekommen?«
    »Ich verstehe nicht – wieso Nordend?«
    Erst jetzt ging Nora ein Licht auf: Ina Franke arbeitete gar nicht mehr am Rose-Schlösinger-Gymnasium. Was angesichts dessen, was dort vorgefallen war, nicht weiter überraschte. Überraschen sollte sie vielmehr ihre eigene Nachlässigkeit in puncto Recherche. Ein Blick auf Frankes Daten beim Einwohnermelde- oder Steueramt hätte ihr diesen peinlichen Fehler erspart.
    »Tut mir leid, dass ich Sie in Alarm versetzt habe. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie noch in ihrer alten Schule arbeiten. Lefeber ist irgendwo in dieser Gegend unterwegs. Das haben Sie vermutlich schon erraten. Wir hatten die Befürchtung, er könnte zu Ihnen wollen.«
    Es folgte eine lange Pause. Jetzt denkt sie, was für unfähige Idioten bei der Polizei arbeiten, ging es Nora durch den Kopf. Aber was immer Franke auch dachte, sie behielt es netterweise für sich.
    »Danke trotzdem, dass Sie mich gewarnt haben. Kann ich jetzt wieder zurück?«
    »Ich denke ja, aber melden Sie sich, falls Ihnen etwas ungewöhnlich vorkommt.«
    Franke versprach es.
    Nora zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich. Sie stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und vergrub seufzend das Gesicht in den Händen. Der Mann von der Reinigungsfirma hielt immer noch beide Arme über den Kopf und hatte Augen groß wie Untertassen.
    »Sie können die Arme runternehmen«, sagte Richter

Weitere Kostenlose Bücher