Die volle Wahrheit
Abflussrohren, wenn sich bei Rissen ein Wasserwirbel formt. Er kann recht wertvoll sein.«
»Was? Du hast Hände wie ein Mädchen.« Paul König war so überrascht, dass sich die Zigarre für mehrere Sekunden nach unten neigte. »Wieso weißt du darüber Bescheid?«
»Ich mag Worte, Herr König.«
»Ich habe im Alter von drei Jahren als Schmutzwühler begonnen«, sagte Paul und schob seinen Sessel zurück. »Am Tag eins habe ich meine erste Klimperkugel gefunden. Einer der größeren Jungen hat sie mir natürlich sofort abgenommen. Oh, ich habe früh erfahren, was Zurückweisungen und Ruin bedeuten. Aber schon damals hatte ich den richtigen Riecher…«
Sie saßen da und hörten zu, William ein wenig aufmerksamer als Gutenhügel. Es war faszinierend, die Dinge aus einer bestimmten Perspektive zu sehen, auch wenn William zumindest einen Teil der Geschichte kannte. Paul König erzählte sie bei jeder Gelegenheit.
Der junge Paul war ein Schmutzwühler mit einer Vision gewesen. An den Flussufern und selbst auf dem Ankh hatte er nach verlorenen Münzen, Metallstücken, Kohleklumpen und anderen Dingen gesucht, die irgendwo verkauft werden konnten. Als Achtjähriger beschäftigte er bereits andere Kinder. Ganze Bereiche des Flusses gehörten zu seinem Territorium. Andere Banden hielten sich fern oder wurden übernommen. Paul war kein schlechter Kämpfer und konnte es sich leisten, diejenigen einzustellen, die besser kämpften als er.
So erfolgte der Aufstieg des Königs, über Pferdedung, eimerweise verkauft (»Garantiert gut festgetreten«), Lumpen, Knochen, Schrott, Hausmüll und die berühmten Eimer, in denen die Zukunft tatsächlich golden war. Es war eine Geschichte der Zivilisation, allerdings von unten nach oben.
»Du bist kein Gildemitglied, nicht wahr?«, fragte William, als Paul König eine kurze Pause einlegte, um Luft zu holen.
Die Zigarre wechselte schneller als sonst den Mundwinkel, ein sicheres Zeichen dafür, dass William einen wunden Punkt berührt hatte.
»Verdammte Gilden«, sagte ihr Eigentümer. »Sie meinten, ich sollte Mitglied der Bettlergilde werden! Ich! Hab nie in meinem Leben um irgendetwas gebettelt! So eine Frechheit ! Aber ich habe die Burschen fortgeschickt, sie alle. Ich will nichts mit den Gilden zu tun haben. Ich bezahle meine Jungs ordentlich, und sie halten zu mir.«
»Es sind die Gilden, die jetzt versuchen, uns zu ruinieren, Herr König. Das weißt du. Man sagt, dass du über alles informiert bist. Wenn du uns kein Papier verkaufst, sind wir erledigt.«
»Ich kann mich nicht einfach über eine Abmachung hinwegsetzen«, erwiderte Paul König.
»Dies ist meine Klimperkugel, Herr König«, sagte William. »Und die anderen Jungs, die sie mir wegnehmen wollen, sind wirklich groß .« Paul schwieg eine Zeit lang, stand dann auf und trat zum großen Fenster.
»Kommt und seht euch das an«, meinte er.
Am Ende des Hofes stand eine große Tretmühle, in der zwei Golems unermüdlich stapften. Sie trieb ein endloses Band an, das über den größten Teil des Hofes reichte. Am anderen Ende standen mehrere Trolle und schaufelten Müll auf das Band. Die Haufen neben ihnen wurden nie wesentlich kleiner, denn immer wieder brachten Karren Nachschub.
An dem Band arbeiteten Golems, Trolle und hier und dort auch Menschen. Im flackernden Fackelschein betrachteten sie die dahingleitenden Abfälle. Gelegentlich griff eine Hand nach einem Gegenstand und warf ihn in einen der Behälter hinter den Arbeitern.
»Fischköpfe, Knochen, Lumpen Papier… Inzwischen haben wir siebenundzwanzig verschiedene Behälter, darunter einen für Gold und Silber – ihr würdet staunen, was die Leute alles wegwerfen. Klimper, klimper, kleines Ding, bald folgt dir der Hochzeitsring… Das habe ich meinen Töchtern vorgesungen, als sie klein waren. Kram wie eure Zeitung kommt in Behälter sechs, Papierabfälle geringer Qualität. Das meiste davon verkaufe ich Werner Weichwisch in Fünf-und-SiebenHof.«
»Was fängt er damit an?«, fragte William. Das mit der geringen Qualität war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen.
»Er stampft alles ein und macht Toilettenpapier daraus«, sagte Paul König. »Meine Frau schwört darauf. Was mich betrifft… Ich ziehe den Rohstoff vor.« Er seufzte und schien die plötzliche Verringerung von Williams Selbstachtung nicht zu bemerken. »Wenn ich hier manchmal am Abend stehe und das Band knarrt und das Licht der untergehenden Sonne spiegelt sich auf den Behältern… Ich schäme
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