Die volle Wahrheit
wenn die Leute herausfinden, was ge-
schehen ist. Und wer uns schützt, falls wir gefasst werden.«
»In dieser Stadt sind die Fakten nie das, was sie zu sein scheinen, mei-
ne Herren«, sagte der Anwalt. »Kümmert euch um den Hund. Andere
Personen werden sich… um euch kümmern. Pläne werden bald umge-
setzt. Wer kann schon sagen, was wirklich passiert ist? Die Leute lassen
sich leicht verwirren, und jetzt spreche ich als jemand, der Jahrhunderte
im Gerichtssaal verbracht hat. Es heißt, eine Lüge kann über die ganze
Welt laufen, bevor die Wahrheit ihre Stiefel angezogen hat. Eine wider-
liche Behauptung, nicht wahr? Nun… Macht euch keine Sorgen, denn
alles ist in bester Ordnung. Und seid auch nicht dumm. Meine… Klien-
ten haben ein sehr gutes Gedächtnis und tiefe Taschen. Sie könnten auf
den Gedanken kommen, sich an andere Killer zu wenden. Habt ihr
verstanden?« Er schloss den Aktenkoffer. »Ich wünsche euch noch
einen guten Tag.«
Hinter ihm schwang die Tür zu.
Es klapperte, als Herr Tulpe sein Grill-Sortiment auspackte.
»Was hast du vor?«, fragte Herr Nadel.
»Der …te Zombie wird an zwei praktischen und vielseitigen Kebab-
Spießen enden«, sagte Herr Tulpe. »Und dann bekommt er diese …te
Gabel zu spüren. Und dann… dann werde ich mittelalterlich, was seinen
…ten Hintern betrifft.«
Es gab zwar dringendere Angelegenheiten, die Herrn Nadels Auf-
merksamkeit erforderten, dennoch fragte er:
»Wie meinst du das?«
»Ich habe an einen Maibaum gedacht«, antwortete Herr Tulpe nach-
denklich. »Volksmusik und Tanz, Land nach dem Drei-Felder-System
bestel en, mehrere Seuchen, wenn meine …te Hand nicht zu müde
geworden ist.«
»Klingt gut«, sagte Herr Nadel. »Lass uns nun den verdammten Hund
suchen.«
»Wie gehen wir dabei vor?«
»Auf die intelligente Art und Weise«, meinte Herr Nadel.
»Ich verabscheue die …te intelligente Art und Weise.«
Man nannte ihn König des Goldenen Flusses, in Anerkennung seines
Reichtums, seiner Leistungen und auch der Ursache seines Erfolgs. Der
Name bezog sich nicht auf den klassischen goldenen Fluss, war aber
eine erhebliche Verbesserung zu seinem früheren Spitznamen, der Pis-
se-Paul lautete.
Paul König verdankte sein Vermögen der sorgfältigen Anwendung
eines alten Sprichworts: Dreck und Geld liegen nahe beisammen. Man
konnte mit den Dingen verdienen, die andere Leute wegwarfen. Beson-
ders mit den sehr menschlichen Dingen.
Die Grundlage für seinen Reichtum schuf er, als er damit begann, lee-
re Eimer bei verschiedenen Gasthäusern im Stadtzentrum aufzustellen,
vor al em bei denen, die mehr als nur einige Meter vom Fluss trennten.
Er verlangte nur eine geringe Gebühr dafür, die Eimer fortzubringen,
wenn sie vol waren. Es wurde Teil des Lebens eines jeden Wirts: Mit-
ten in der Nacht hörten sie leises Klappern und drehten sich auf die
Seite, zufrieden darüber, dass einer von Pisse-Pauls Männern die Welt
in einen etwas besser riechenden Ort verwandelte.
Sie fragten sich nicht, was mit den vol en Eimern geschah, doch Pis-
se-Paul hatte etwas herausgefunden, das großen Reichtum in Aussicht
stel t: Selbst die abscheulichsten Dinge finden irgendwo Verwendung.
So gibt es zum Beispiel Leute, die große Mengen Ammoniak und Salpe-
ter brauchen. Wenn man es nicht den Alchimisten verkaufen kann, sind vielleicht einige Bauern daran interessiert. Und wenn die Bauern es
nicht wol en… Es gibt praktisch nichts, das man nicht an die Gerber verkaufen kann, so grässlich es auch sein mag.
Paul fühlte sich wie der einzige Mann in einem Schürflager, der wuss-
te, wie Gold aussah.
Er übernahm ganze Straßen, erweiterte außerdem sein Geschäft. In
den besseren Stadtvierteln bezahlten ihn die Haus- und Wohnungsinhaber dafür, Abtrittsdünger, die inzwischen schon bekannten Eimer,
Pferdedung, Mül und sogar Hundekot fortzubringen. Offenbar hatten
die Leute überhaupt keine Ahnung, wie viel die Gerber für guten wei-
ßen Hundekot bezahlten. Es war, als würde er weiche Diamanten weg-
schaffen.
Paul König gewann den Eindruck, dass die Welt ganz versessen dar-
auf war, ihm Geld zu geben. Irgendwo gab es jemanden, der für ein
totes Pferd bezahlte, oder für zwei Tonnen Garnelen, die ihr Verfal sda-tum so weit hinter sich gelassen hatten, dass man es nicht einmal mehr
mit einem Teleskop sehen konnte. Und das Schönste war: Jemand hatte
ihn bereits dafür bezahlt, das Pferd und die Garnelen
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