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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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Fotografie konnte ihm
gerecht werden. Eine Fotografie konnte nur den Glanz seines schwarzen Trikots
wiedergeben, nicht das Spiel der Muskeln unter der Haut; nur die statuenhafte
Schönheit der Haltung, nicht die geschmeidige Schönheit der Bewegung. Fred
schritt durch den Raum wie ein schwarzer Panther; und während sie ihn
bewundernd anblickte, erwarb Julia unbewußt etwas, nach dem sie schon lange
gestrebt hatte — nämlich Kultur, wenn auch nur einen winzigen Bruchteil davon.
Und wenn sie es nicht dafür hielt, so lag das daran, daß man etwas, nach dem
man in guten Büchern Ausschau hält, nicht in der Künstlergarderobe eines
Varietés zu finden erwartet. Aber so geschah es: da ihre Augen etwas in seiner
Art Vollkommenes erblickt hatten, konnte Julia nicht mehr etwas minder Vollkommenes
betrachten, ohne zu wissen, daß es das war.
    „Ich habe zuviel Firlefanz an mir“,
stellte sie fest, während sie ihr Spiegelbild ansah.
    Fred starrte sie erstaunt an.
    „Sie sehen großartig aus. Was mißfällt
Ihnen denn?“
    „Das alles.“ Julia streifte Jäckchen
und Kopfputz ab und verbarg beides hinter ihrem Rücken. „Die Sachen sind sehr
schön, Fred, aber ich habe das Gefühl, ich sehe überladen damit aus...“
    Seite an Seite betrachteten sie ihr
Spiegelbild. Aber ohne das Gegengewicht der Straußenfedern wirkten Julias
Hüften, die durch den Silberbrokat der kurzen Hose noch stärker betont wurden,
jetzt unverhältnismäßig breit. Sie schüttelte den Kopf.
    „Ich habe nicht die Figur dazu“,
gestand sie traurig ein. „Ich werde es wohl besser bleiben lassen.“
    „Sie haben eine wunderbare Figur“,
sagte Fred. Und er meinte es auch. Er sah sie mit aufrichtiger Bewunderung an.
Als Julia sich den Kopfputz wieder aufsetzte, fragte er plötzlich: „Wo Sie da
jetzt hinfahren — ist Mister Packett auch dort?“
    „Er ist tot“, sagte Julia, „im Krieg
gefallen.“
    „Sie müssen schrecklich jung gewesen
sein, als Sie heirateten.“
    „Sechzehn“, sagte Julia. „Er war
schrecklich jung, als er fiel.“
    „Jedenfalls war er ein Held!“ sagte
Fred.
    Julia nickte, ohne zu sprechen. Seine
Teilnahme rührte sie, aber sie hatte den Verdacht, daß der Geist ihres
verstorbenen Gatten nicht sehr erbaut darüber sein würde. Sylvester hatte für
ihre Freunde nie etwas übriggehabt. Wenn sie ihm sagten, wie tapfer er sei,
pflegte er auf seinen Daumen zu beißen und fortzugehen. Wahrscheinlich biß er
sich jetzt im Jenseits auch auf den Daumen, und um seinen Schatten versöhnlich
zu stimmen, wechselte Julia rasch das Thema.
    „Müssen Sie nicht auf die Bühne, Fred?“
    „Noch vier Minuten. Nervös?“
    „Nur ein bißchen. Sobald Sie sich
verbeugen...“
    „Sobald wir uns verbeugen, kommen Sie
heraus und wechseln die Nummer aus — Sie brauchen nur die oberste wegzunehmen.
Es kann gar nicht schiefgehen.“
    Er lächelte ihr ermutigend zu, und
plötzlich lachte Julia zurück. Während der nächsten Stunde wenigstens gehörten
sie zusammen, waren sie Kameraden und die Mitglieder einer Truppe, die auch eine Familie war. Während der nächsten Stunde würde sie nicht Mrs.
Sylvester Packett sein, sondern der sechste der Fliegenden Genocchios...
    „Allez-hopp!“ rief Julia; und da
klopfte der Inspizient auch schon an die Tür.
     
    *
     
    Mochten auch Julias Beine nicht den
vorschriftsmäßigen Wuchs für ein modernes Mannequin aufweisen, so waren sie
doch durchaus nach dem Geschmack der Stammgäste des Casino Bleu. Ihr zweites
Erscheinen auf der Bühne wurde mit Beifallsrufen begrüßt, und allem
gegenteiligen Vorhaben zum Trotz konnte sie nicht umhin, ein paar aufmunternde
Blicke in den voll besetzten Zuschauerraum zu werfen. Schließlich war sie es
Fred schuldig, ihr Bestes zu tun; und ihr Bestes war wirklich sehr gut.
    Es ging etwas Gutlauniges von ihr aus,
eine Bereitwilligkeit, Freude zu geben und zu empfangen, die sie sofort mit dem
Publikum in Kontakt brachte; und im Verlauf der Vorstellung verstärkte sich
dieser Kontakt nur. Mehrere Herren riefen ihr anzügliche und anerkennende
Bemerkungen zu, und obwohl Julias Französisch sehr zu wünschen übrigließ,
genügte es, um diese Zurufe zu parieren. „Vive la France!“ rief sie zurück: „Vive
l’amour! Cherchez la femme und nicht zu knapp!“ Es war natürlich nicht Witz im
klassischen Sinn, aber ihre nunmehr zahlreichen Bewunderer hielten es dafür,
und jedesmal, wenn sie von neuem auftrat, wurde der Wortwechsel kühner und
länger. Das Gefühl der

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