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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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dich nicht heiraten wollen. Aber deine Treue ist
doch wohl nur für einen da, für den Richtigen, und wenn ich der nicht bin —“
    „Aber du bist es ja!“ rief Julia
beinahe in Tränen aus. „Ich wußte es doch gleich vom ersten Tag an, das ist ja
gerade so schrecklich. Du kannst dir nicht denken, wie sehr — wie gern ich es
dir zeigen wollte. Manchmal wünschte ich — nein, ich wünschte es nicht, ich
stellte mir vor, du seist ein hilfloser Krüppel, gelähmt oder so was, und ich
dürfte dir ganz allein helfen und für dich sorgen. Das wäre herrlich!“
    Einen Augenblick saß Sir William
schweigend da. Julias Geständnis ihrer Zuneigung war allerdings auch deutlich
genug ausgefallen, um jedweden Mann zum Schweigen zu bringen. Dann stand er auf
und legte Julia den Mantel um die Schultern.
    „Komm, wir fahren wieder“, sagte er.
    „Nein“, sagte Julia ganz unglücklich. „Wenn
du mich küßt, bin ich rettungslos verloren.“
    „Na, irgendwann müssen wir ja doch nach
Hause“, beharrte Sir William.
    „Aber erst, wenn du mich verstanden
hast.“ Julia richtete sich auf und versuchte mit einem Lächeln darzutun, daß
sie der Situation gewachsen sei. „Du hast mich froher und stolzer gemacht, als
ich je zuvor gewesen bin, William, aber es hat keinen Zweck. Zu viel spricht
dagegen. Ich kann nicht ausdrücken, was ich fühle, ich hab’ es nie gekonnt:
aber ich will dich ewig als schöne Erinnerung in meinem Herzen tragen.“
    „Julia!“ sagte Sir William energisch.
    „Ja, mein Lieber?“
    „Du berauschst dich an deinen eigenen
Worten!“
    Julia errötete. Er hatte ganz recht,
trotz ihres wirklichen Kummers war es ihr durchaus bewußt geworden, daß sie die
letzten Sätze sehr eindrucksvoll gebracht hatte...
    „Und schlimmer noch“, fuhr Sir William
fort, „du tust es auf meine Kosten. Ich kann mir nichts Scheußlicheres denken
als eine schöne Erinnerung zu sein, selbst in deinem Herzen. Komm lieber nach
Hause, anstatt weiter solchen Unsinn zu reden.“
    Jetzt erhob sich Julia. Zweifellos
besaß Sir William eine gewisse Geschicklichkeit darin, ihr den selbstgewobenen
Teppich ihrer Pflichtmoral unter den Füßen wegzuziehen, gerade wenn sie sich am
meisten über die feine Arbeit freute. Noch etwas mitgenommen von dem
plötzlichen Ruck, puderte sie sich schweigend die Nase und begleitete Sir
William zum Wagen.
    Aber in einem durfte sie doch
wenigstens recht behalten. Als er anfing sie zu küssen, waren Pflichten, Moral
und sie selbst rettungslos verloren.
     
    *
    „Werde ich Ausstellungen eröffnen und
bei Damen-Tees den Vorsitz führen müssen?“ fragte Julia etwa eine Stunde
später.
    Sie fuhren langsam die gewundenen Wege
vom Lac du Bar empor. Ihr Heimweg war in keiner Weise der geradeste und
kürzeste gewesen.
    „Himmel, nein!“ sagte Sir William.
    Julia war beruhigt, aber auch ein wenig
enttäuscht. Sie hatte sich schon auf der Rednertribüne oder am Teetisch
gesehen, ein Kleid aus guter schwarzer Seide, ein paar Orchideen an der linken
Schulter... und der Anblick hatte ihr gefallen.
    „Du wirst mit solchen Sachen gar nichts
zu tun haben“, fuhr Sir William fort, „und wir können wohnen, wo wir wollen.
Augenblicklich habe ich eine Wohnung in London...“
    „Wo da?“ fragte Julia.
    „Mount Street. Ich glaube, sie wird dir
gefallen. Wenn wir sie behalten und du nicht ein eigenes Haus haben willst,
können wir verreisen, sooft es uns Spaß macht. Ich freue mich schon darauf, mit
dir zu reisen, Julia; du hast an allem so viel Freude.“
    Julia rieb ihre Wange an seinem Rock.
Sie konnte ihn nicht küssen, denn er mußte auf den Weg achten. „Ach ja, nach
Venedig möchte ich gern! Louise — ein Mädchen, das ich früher kannte — war
einmal da, und sie sagte, es sei himmlisch, William!“
    „Ja?“
    „Wenn ich so von Leuten spreche, die
ein wenig — merkwürdig sind, stört dich das sehr?“
    Sir William nahm die Linke vom
Steuerrad und griff nach ihrer Hand. „Nicht im geringsten, meine Liebe. Ich
kenne wirklich niemanden, der so amüsante Freunde hat wie du.“
    „Da hab’ ich Glück gehabt“, seufzte
Julia erleichtert, „denn ich fürchte, du wirst eine ganze Menge von ihnen zu
hören bekommen. Diese Louise war wirklich ein fabelhafter Kerl. Wenn du noch
einmal anhalten willst, dann bitte, bevor wir im Dorf sind.“
    Zehn Minuten danach, am Gartentor der
Villa, bat sie ihn wieder, anzuhalten — diesmal aber nur, um in den Rücksitz
umzusteigen.
    „Danke“, sagte Sir William.

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