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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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Gesicht.
    „Hinten“, sagte Julia.
    Mit lässiger Würde nahm sie ihren Platz
ein. Bryan breitete ihr die Decke über die Knie, und die anderen standen auf
der Verandatreppe und sahen zu. Julia hatte das Empfinden, daß sie nach
längerer Krankheit ihren ersten Ausflug machen sollte. An und für sich eine
ganz angenehme Empfindung — es sah Bryan ähnlich, daß er den guten Eindruck
verderben mußte. „Wetten, daß Sie unterwegs den Platz wechseln?“ sagte Bryan
mit einem freundlich-vertraulichen Augenzwinkern.
     
    *
     
    Ein paar Minuten lang glitt der Wagen
mit seinen beiden Insassen fast lautlos durch die Dunkelheit. Susans Brise
bemühte sich um Julia, aber Julia fand keine Entspannung. So wenig sie selbst
fähig war, auch nur einen Laut von sich zu geben, so sehr sehnte sie sich, so
sehr bangte sie nach Sir Williams ersten Worten. Als sie einer kleinen Bewegung
seines Kopfes entnehmen konnte, daß er etwas sagen würde, vermochte sie kaum zu
atmen.
    „Du mußt verflucht hungrig sein“, sagte
Sir William über seine Schulter.
    „Durchaus nicht!“ Julia schnappte nach
Luft.
    „Wenn du’s mir nur vorher gesagt
hättest“, fuhr Sir William unberührt fort, „dann hätt’ ich mir auch ein wenig
Kopfschmerzen zugelegt.“
    „Ich hatte wirklich Kopfschmerzen!“
rief Julia aufgebracht. „Ob du welche hattest oder nicht hattest, ist egal;
jetzt hast du sie bestimmt. Das erste, was wir jetzt tun müssen, ist, dir etwas
zu essen zu verschaffen. Warum hast du dich da hinten hingesetzt?“
    „Weil ich nicht sprechen möchte“,
erklärte Julia, so sarkastisch wie sie konnte.
    Eine kurze Weile glaubte sie sich
schmeicheln zu dürfen, daß ihre Worte gewirkt hatten; aber Sir Williams nächste
Frage klang gar nicht danach. „Was sagte eigentlich Relton zu dir?“
    „Nichts“, fauchte Julia, „das heißt —
er sagte, ich täte ihm leid, so rumgeschleppt zu werden, wo ich doch
Kopfschmerzen habe, nur um Susan einen Gefallen zu tun.“
    „Wenn du was zu essen bekommen hast,
wird es dir wieder besser gehen“, sagte Sir William.
    Julia war zu empört, um
weiterzusprechen; aber die Spannung war wenigstens fort. Sie warf sich mit
einem hörbaren Bums gegen die Polsterung zurück. In ihrem Kopf überstürzten
sich die vielen guten Antworten, die sie gelegentlich Sir William geben wollte.
Das kleine Geplänkel jedoch hatte das Eis gebrochen, und Julia kam plötzlich
ein Gedanke, bei dem sie laut auflachen mußte.
    „William!“
    „Ja, meine Liebe?“
    „Hast du es absichtlich getan?“
    „Absichtlich was getan?“
    „Mich geärgert?“
    „Natürlich“, sagte Sir William. „Willst
du nicht nach vorn kommen?“
    Er hielt an, und Julia stolperte hinaus
und setzte sich neben ihn.
    Jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte,
schwieg Sir William, und nach ein paar Augenblicken schon tauchten die ersten
Häuser von Belley auf. Sie fuhren nicht zu Pernollet, sondern parkten vor einem
kleinen Café an der Promenade, das Julia vorgeschlagen hatte. Sie wählte es
darum, weil es immer voll Menschen war und weil sie ausnahmsweise einmal den
Wunsch verspürte, möglichst viele indiskrete Augen und Ohren um sich zu haben.
Aber sie rechnete nicht mit Sir Williams guter englischer Gewohnheit, Ausländer
zur selben Klasse wie das Inventar und sonstige leblose Gegenstände zu rechnen.
    „Also“, sagte er, sobald Julia mit
einer Omelette und einer Karaffe Rotwein versorgt worden war. „Eine alte Sitte
schreibt vor, daß die Ablehnung eines Heiratsantrages hinreichend begründet
werden muß. Und wenn der Grund ganz einfach der ist, daß man den Kerl nicht
ausstehen kann, so sollte man doch wenigstens versuchen, mit irgendeiner
höflichen Phrase die Ehre und Würde des Maskulinums zu retten.“
    „Nicht ausstehen!“ rief Julia und fiel
kopfüber in die offene Falle. „Wenn du das glaubst, dann mußt du — dann mußt du
ziemlich dumm sein. Ich mag dich lieber als irgendeinen Mann, den ich je
getroffen habe!“
    „Danke schön“, sagte Sir William. „Das
nenne ich großzügig und freundlich gesprochen. Aber ist das ein Grund, weswegen...?“
    Julia beschloß, ihm wenigstens einen
Teil der Wahrheit aufzutischen. „Nein, es wäre ganz einfach nicht passend. Ich
wäre nicht die Frau, die die Leute von dir erwarten.“
    „Die Leute können mir mitsamt allem,
was sie erwarten, den Buckel herunterrutschen“, sagte Sir William aus vollem
Herzen. „Ich habe bisher immer getan, was Leute von mir erwartet haben, und
jetzt habe

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