Die Vollstrecker
mit. In höheren Regionen war Schnee gefallen, hier aber atmeten wir nur den seichten Dunst ein, der auch die Mauern des Hauses umflorte. Es war Nachmittag geworden, und noch immer wirkte alles so trübe und verschwommen wie in den Morgenstunden.
Zum Glück hatten wir einen Schlüssel für die Tür. Die beiden Schlösser hätte auch nur ein Spezialist knacken können. Ich hielt den Schlüssel in der Hand, schaute mir das erste Schloß an, dann öffnete ich es. Das zweite folgte kurze Zeit später. Suko stand hinter mir und schaute zurück. Er wirkte wie jemand, der nach etwas Bestimmtem suchte, aber keine Chance hatte, es zu finden, denn wir befanden uns allein hier.
Ich ging einen Schritt vor und drückte die Tür auf. Es war das Fremde, das uns entgegenströmte. Zudem eine etwas bullige Wärme, die von den Heizungen ausströmte. Durch die Fenster drang nur das schwache graue Licht, und der Eingangsbereich schwamm im Zwielicht.
Suko hielt sich auf der Schwelle auf. Ich stand vor ihm. Gemeinsam ließen wir die Atmosphäre des leeren Hauses auf uns einwirken. Wir atmeten nur durch den offenen Mund, schauten uns um, sahen die alten Möbel, eine Truhe, einen Schrank und eine Kommode, neben der ein Spiegel mit geschwungenem Rahmen hing.
All das hatte hier seinen Platz gefunden, ohne daß die Räumlichkeiten überfüllt wirkten.
Hinter Suko fiel die Tür zu. Wir fühlten uns beide nicht wohl. Eine dunkle Treppe führte nach oben. Verschiedene Türen zweigten ab, und wir merkten auch, daß zwischen diesen Wänden eine besondere Atmosphäre herrschte.
Schon oft hatten wir menschenleere Häuser betreten und kannten uns hier aus, aber es war anders. Auf den Fensterscheiben sahen wir die Schatten der Zweige und Äste. Sie gehörten zu den Bäumen, die nahe des Hauses standen. Manchmal flatterte ein Vogel auf, und auch seine Bewegungen spiegelten sich in den Scheiben wider. Dieses Haus war leer, abgesehen von uns, aber es kam uns trotzdem nicht so vor. Als ich mich drehte und Suko anschaute, da entnahm ich seinem Blick, daß er ebenso dachte wie ich.
»Sprich es schon aus«, sagte ich.
»Okay, es kann sein, daß hier etwas zurückgeblieben ist.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Meldet sich dein Kreuz?«
»Nein.«
Suko ging auf die Treppe zu und schaute die Stufen hoch.
»Siehst du was?«
»Nein, John, aber mein Gefühl ist geblieben. Wir scheinen nicht allein im Haus zu sein.«
»Wer könnte noch hier sein?«
»Du hast das Monstrum gesehen.«
»Unsinn, das hält sich zurück.«
»Noch«, meinte Suko.
Ich atmete die warme Luft ein und nickte. »Dann wollen wir uns mal umschauen. Mal sehen, ob jemand ein Andenken hinterlassen hat.«
Wir blieben zusammen und durchforsteten zunächst die untere Etage. Die Einrichtung der Zimmer war gediegen, aber nicht überkandidelt. Sie paßte irgendwie zu Purdy Prentiss. Ich konnte mir gut vorstellen, daß ein Teil der Möbel aus der Erbmasse stammte.
Alles wirkte aufgeräumt, war aber nicht so sauber wie geleckt. Uns fiel auf, daß dieses Haus für eine Person wirklich zu groß war.
»Purdy kann doch nicht jedes Zimmer benutzen«, sagte ich leise.
»Vielleicht hat sie öfter Gäste.«
»Kann auch sein.«
Niemand hielt sich versteckt. Keines von den Monstern, über die sie berichtet hatte, entdeckten wir in irgendeiner schattigen Ecke. Auch die Stille veränderte sich nicht. Sie lastete auf uns wie ein großer Druck.
Unten fanden wir nichts.
Als nächstes nahmen wir uns die Treppe vor und stiegen sie hintereinander hoch. Diesmal ging Suko vor. Die Luft in der ersten Etage war noch wärmer. Im Flur klebte eine alte Tapete an der Wand. Wir sahen auch hier mehrere Türen, und Suko war ebenso wie ich der Meinung, daß Purdy als Einzelperson nicht alle Zimmer bewohnen konnte.
Auch im Flur standen Kommoden. Ein alter Spiegel, der recht blind war, hing an der Wand, und als wir in die Zimmer schauten, stellten wir fest, daß die obere Etage kaum bewohnt wurde. Die meisten Zimmer waren leer. In anderen standen alte Möbel, die zum Teil mit Tüchern abgedeckt waren.
»Nichts«, sagte Suko und zuckte mit den Schultern. »So leer, daß man schon wieder mißtrauisch werden kann.«
Ich gab ihm durch ein Nicken recht, betrat einen Raum und schaute aus dem Fenster. Der Blick in die Wildnis vor dem Haus brachte mir auch nicht viel. Ich sah die Bäume, das Gras, die wilden Büsche, den Pfad, ansonsten schaute ich durch die Lücken im Astwerk auf flaches, menschenleeres Feld.
»Hier
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