Die Voodoo-Witwe
werden mußte. Ein alter Medizinmann, ein Lehrer, weihte uns ein. Er gab uns bekannt, daß es noch neue Wege gibt, die gegangen werden müssen. Ich war dazu bereit, mein Sohn ebenfalls, und wir würden keine Rücksicht nehmen. Ich war die erste, die die ganze Kraft des Voodoo erleben sollte, und zwar auf eine sehr raffinierte und außergewöhnliche Art und Weise. Schaut mich an, schaut, was ich hier habe. Seht auf das, was meinen Körper bedeckt. Es ist das Neue, es ist das Wichtige, es ist einmalig, denn ich bin die erste, die es ausprobiert. Dank meines Sohnes ist es mir gelungen…«
Die Zuschauer schwiegen. Sie starrten die Frau an, aber Denise schüttelte den Kopf. »Was bedeutete das?« hauchte sie. »Die Frau redet in Rätseln, Suko - oder?«
»Für mich nicht.«
»Dann weißt du Bescheid?«
»Ja. Aber schau selbst.«
Er rechnete mit einem bestimmten Vorgang, der sicherlich noch kommen würde, allerdings nicht sofort, denn La Surenuse war mit ihrer Rede noch nicht am Ende.
Sehr laut hallte ihre Stimme über das Deck. »Dieses Teil, das so aussieht wie eine Decke, ist das, was mir mein Sohn als Erbe schon jetzt hinterlassen hat. Es ist wunderbar, sie ist wunderbar, sie ist einmalig, denn sie besteht aus einem bestimmten Material, in das ich mich gleich einwickeln werde. Ich sage nur: Haut auf Haut, denn diese Decke besteht aus Menschenhaut…«
***
Was sollte ich tun?
Ich wußte, daß der andere angetreten war, um mich zu zerstören, zu vernichten, zu töten.
Ich dachte darüber nach, welche Waffen mir blieben. Die Beretta hatte ich abgeben müssen. Es blieben mein Kreuz und der Dolch, dessen Klinge in einer weichen Scheide aus Leder steckte. Beim Tanzen hatte La Surenuse von diesen Waffen nichts bemerkt.
Aber der andere besaß das Messer! Diese verfluchte Klinge, mit der er seine Opfer gehäutet hatte. Er würde mit dieser Waffe perfekt umgehen können, das stand für mich fest.
Wohin?
Ich konnte mir zwei Sessel aussuchen, die als Deckung dienten. Und ich mußte mich dabei lautlos bewegen, denn das geringste Geräusch hätte den anderen mißtrauisch werden lassen.
Ich tauchte unter. Die Kleidung raschelte, schon dieses leise Geräusch störte mich. Ich hoffte, daß der andere es nicht vernommen hatte. Es war sehr still geworden. Auch über uns an Deck waren die Geräusche eingeschlafen. Die Band spielte nicht mehr, auch die Musik aus den Lautsprechern war verstummt.
Es gab nur ihn und mich.
An der rechten Seite des Sessels peilte ich vorbei. Die Tür zum Bad lag haargenau in meiner Blickrichtung. Und davor - möglicherweise sogar innerhalb des Spalts - zeichnete sich die Gestalt des Häuters ab. Er stand dort wie eine Statue, die Arme hingen rechts und links seines Körpers nach unten. Das lange Messer bildete die Verlängerung seiner rechten Hand. Selbst im Finstern glänzte die Klinge wie ein matter Spiegel. Ich fragte mich, wie oft sie schon den Tod gebracht hatte. Auch ich war nicht von Gefühlen gefeit und bekam eine Gänsehaut, die über meinen Körper rieselte. Der Magen drückte, aber ich mußte cool bleiben, ich mußte abwarten, ich durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Einen Vorteil hatte ich ihm gegenüber. Ich wußte, wo er sich befand, der Häuter aber mußte mich noch suchen.
In derartigen Situationen fallen einem oft Lächerlichkeiten ein. Mir erging es nicht anders. Ich dachte daran, daß ich nicht einmal den Namen des Häuters kannte. Wenn der mich umbrachte, war ich von einem Namenlosen gekillt worden. Ich schluckte. Nur nicht verrückt machen lassen, schärfte ich mir ein. Um Himmels willen, keine Panik! Immer die Nerven behalten, sonst lief alles quer.
Der Häuter blieb nicht an der Tür stehen. Er bewegte sich in den Raum hinein.
Schon bei seinem ersten Schritt erkannte ich, was mit ihm los war. Dieser Mann konnte sich bewegen, er war geschmeidig, er ging wie ein Tänzer und wie ein Raubtier.
Da steckten zwei Seelen in seiner Brust, und ich hörte ihn plötzlich atmen.
Es war ein zischendes Geräusch, das er ausstieß und gleichzeitig so etwas wie ein Startsignal war, denn er hob die Waffe an, so daß ich sehen konnte, wie lang die Klinge war.
Furchtbar lang…
Dann ging er weiter.
Er bewegte sein Messer, er fächerte damit. Einmal nach links, dann wieder nach rechts, als wollte er gewisse Dinge kurzerhand aus dem Weg räumen.
Er wußte, daß ich mich in dieser Suite befand, aber er wußte nicht wo. Das war mein Vorteil, denn ich konnte ihn sehen, er mich
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