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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Andreas, die mit Holzpferden und -figuren den Dritten Punischen Krieg gegeneinander führten, zuckten erschrocken zusammen. Ihr Kindermädchen blickte auf.
    »War jemand hier?«, keuchte Agnes.
    Das Kindermädchen schüttelte den Kopf.
    »Wann kommt Papa wieder zurück?«, fragte Klein-Melchior. Agnes starrte ihn an. Die Buben fragten stets nach Cyprian, wenn er ihnen zu lange ausblieb, und doch empfand sie die Frage diesmal als erschreckend. Sie konnte nicht antworten. Etwas von ihrer Furcht teilte sich dem Jungen mit. Er verzog das Gesicht, und seine Unterlippe begann zu zittern. Sie strich ihm mit einer bebenden Hand über den Kopf, dann floh sie aus dem Saal und in die Schlafkammer hinüber.
    Auch diese war leer. Agnes spürte, wie die Eiseskälte immer stärker von ihr Besitz ergriff. Sie wagte sich kaum im Raum umzudrehen, aus Angst, etwas zu sehen, was sie nicht sehen wollte. Schließlich tat sie es doch.
    In der Schlafkammer befand sich ein Herrgottswinkel.Agnes sah die nackte Stelle an der Wand. Ihre Blicke krochen nach unten. Das Kruzifix lag auf dem Boden. Die Christusfigur hatte sich vom Kreuz gelöst und lag unter ihm.
    »Cyprian?«
    Sie wusste, dass er nicht hier war. Er konnte noch nicht zurück sein.
    Er würde nie mehr zurückkommen.
    Sie sah zur Tür. Da stand Alexandra, kalkweiß. Was immer sich ihr mitgeteilt hatte, es hatte sie hierher getrieben.
    »Mutter?«
    Die Kraft verließ Agnes’ Leib. Sie sank auf den Boden, zu entsetzt, um irgendeinen Laut von sich geben zu können. Alexandra stürzte zu ihr.
    »Mutter!«
    Agnes schüttelte den Kopf. Sie hörte Cyprian sagen: »Ich komme immer wieder zu dir zurück.«
    »Lügner«, flüsterte sie, dann wusste sie nichts mehr.

1618:
2. Teil
Ein tiefer Fall
    Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.
    Plato

1
    Filippo folgte dem Rhythmus mit geschlossenen Augen. Die Stöße brachten seinen ganzen Körper zum Schwingen.
    »Fester«, keuchte Vittoria. »Fester.«
    »Ich tue, was ich kann, Schwesterherz«, sagte Filippo – oder wollte es sagen, aber er stellte fest, dass er keine Stimme hatte. Er spürte Vittorias Hände, die die seinen umklammert hielten, er roch ihren Schweiß und seinen. Er fühlte sich schlüpfrig.
    »Fester.«
    »Ich schwöre, ich esse nie wieder Butter!« Auch dieser Scherz fand keine Stimme. Filippo versuchte, die Augen zu öffnen. Seine Lider waren schwer wie Blei. Mittlerweile hatte er erkannt, dass die Stöße einem Takt folgten, der von außerhalb kam. Er kannte den Takt. Es war ein Pochen, das jede Körperfaser zum Schwingen brachte und einem das Gefühl gab, dass jeder einzelne Schlag die Seele einen Schritt weit von allen anderen Menschen entfernte und in ein Dunkel trieb, in dem sie ewig gebunden sein würde.
    »Fester.«
    Es war das Pochen, mit dem die Teufelsbibel einen erfüllte, wenn man sich ihr näherte. Es war das auf- und abschwellende Summen eines Hornissenschwarms. Es war der Herzschlag des Satans.
    »Fester, Filippo.«
    »Ich kann nicht mehr.«
    »Nicht nachlassen, Filippo. Nicht nachlassen.«
    Schwindel erfasste ihn. Auf einmal schien sein Körper ihm mitteilen zu wollen, dass er nicht in der Küche von Scipione Kardinal Caffarellis Haus in Rom Vittoria gegenübersaß, sondern auf dem Rücken lag. Seine Glieder zitterten. Vittorias Hände packten die seinen fester und zogen sie empor, und plötzlich erkannte er, dass er nicht den glitschig-feuchten Stößel des Butterfasses festgehalten hatte, sondern dass seine Hände auf warmer, schweißnasser Haut gelegen hatten. Vittoria zog und presste seine Hände auf etwas anderes, eine feste, anschmiegsame Weiche, in der zwei harte Knospen unter seinen Handflächen erblühten. Entsetzen breitete sich in ihm aus wie Blut in Wasser.
    »Fester, Filippo. Fass sie an. So ist es richtig. Fester.«
    »Vittoria …«, ächzte er. »Mein Gott …«
    »Nein«, sagte sie. »Du hast keinen Gott. Du hast dir die Frage nicht gestellt.«
    Er versuchte, sie abzuschütteln, versuchte, unter ihr hervorzukriechen. Seine Lider waren immer noch geschlossen, die Schwärze um ihn herum absolut. Seine Augen brannten.
    »Bitte!«
    »Die Frage, Parzival«, sagte Vittoria. »Stell die Frage. Weißt du, was der Heilige Gral ist? Das Gefäß, in dem das Wesen Gottes aufbewahrt ist. Stell die Frage, Parzival, oder der Gral bleibt dir verschlossen.«
    »Nein!« Er bäumte sich auf. Vittorias Schenkel hielten ihn umklammert. Ihre Knie pressten seine Rippen zusammen. Er spürte ihr Gewicht

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