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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Hauch der Zugluft, mit dem sich die Tür in seinem Rücken unmerklich wieder schloss. In den sechs Wochen seines Hierseins hatte er den Hang der Herrin von Pernstein zu dramatischen Inszenierungen kennengelernt. Mystisch daran blieb dennoch ihr unheimlicher siebter Sinn, wann eine solche Inszenierung angebracht war. Wahrscheinlich gehörten die verkleideten Mönche dazu.
    »Meine Damen«, hörte Filippo die rauchige Stimme Polyxenas sagen, »sind Sie sich bewusst, was ich meinte, als ich vorhin von der Erlösung sprach?«
    »Natürlich. Die Erlösung des wahren christlichen Glaubens von der Unterdrückung durch den katholischen Aberglauben.«
    »Die katholische Kirche ist am Ende.« Eine weiße Hand deutete auf Filippo. »Der Papst ist ein verwirrter Mann, und seine wichtigsten Stellvertreter sind bereits zum wahren Glauben übergewechselt.«
    Filippo spürte die Blicke der beiden Adligen auf sich ruhen. Glänzend gemacht, Frau von Lobkowicz, dachte er aufs Neue. Meine Gegenwart allein scheint diese Aussage zu bestätigen. Pater Caffarelli, der Bruder des mächtigen Großpönitentiars – wenn einer Bescheid wusste, dann wohl er. Ihm wurde klar, dass es so wirken musste, als sei er eigens aus Rom hierher gereist, um die Worte seiner Gastgeberin zu unterstreichen. Er unterdrückte ein ebenso spöttisches wie anerkennendes Lächeln. Sie wusste vermutlich nicht, wie recht sie in Wahrheit hatte. Der Papst war zwar nicht verwirrt, sondern rettungslos in seine beiden Projekte verrannt – den Reichtum der Familie und die Selbstverwirklichung in der Umgestaltung der Domfassade –, auf die Gläubigen hatte es aber dieselbe Auswirkung. Und seine Kardinäle waren vielleicht nicht zum wahren Glauben (was immer das war, der Protestantismus war es jedenfalls auch nicht) übergetreten, aber mit den Regeln der katholischen Kirche hatten sie nicht mehr viel am Hut. Als er erkannte, worauf Polyxena hinauswollte und was sie als den wahren Glauben bezeichnete, durchfuhr ihn ein Schock. Kälte breitete sich in ihm aus.
    Der wahre Glaube war der Nicht-Glaube. Der Glaube daran, dass es nichts Gutes gab und dass Gott seiner Schöpfung den Rücken gekehrt hatte. Der Glaube daran, dass die Welt vom Recht des Mächtigeren bestimmt wurde. Der Glaube an das Credo des Teufels.
    Die Kardinäle hätten es vielleicht anders bezeichnet. Tatsächlich lief es auf das Gleiche hinaus. Filippo fühlte sich atemlos, als er sich bewusst machte, dass die Frau, zu der ihn seine Suche getrieben hatte, mithilfe der Teufelsbibel einen Apfel pflücken wollte, der mehr als reif dafür war. Der Apfel war die Welt. Was noch zur Herrschaft des Teufels fehlte, war, dass sich alle offen dazu bekannten. Gott war tot. Die Kälte in ihm wurde noch größer. War er auf seiner Suche lediglich einen Kreis weiter in die Hölle geraten? Die ihr durch mich tretet, lasst alle Hoffnung fahren …
    Die Augen der Gräfin von Thurn waren rund. »Die Kardinäle sind allesamt zum Protestantismus bekehrt worden?«
    Das weiße Gesicht lächelte nachsichtig. »Wie alt, glauben Sie, bin ich, Teuerste?«
    »Äh … äh … ich weiß nicht …«
    »Fühlen Sie meine Hand.«
    Filippo sah zu, wie die dicken, rosigen Finger Susanna von Thurns über die schmale Hand ihrer Gastgeberin flatterten. Auf dem Handrücken der Gräfin zeigten sich bereits erste Unreinheiten, die Haut an den Knöcheln war runzelig, und ein paar Altersflecken sahen im Kerzenlicht aus wie Schmutz. Es wirkte, als betatsche eine Bäuerin die Hand einer Alabasterstatue.
    »Sehen Sie mir in die Augen.«
    Susanna von Thurn hob den Blick wie ein Kaninchen.
    »Wie heiß brennt die Leidenschaft noch in Ihnen, Teuerste?«
    »Äh …?«
    Die Hände der Alabasterstatue hoben sich und hielten das pausbäckige Gesicht der Gräfin links und rechts fest. Dann beugte sich das weiße Gesicht nach vorn, neigte sich, und die blutroten Lippen drückten sich auf den bebenden Mund der Gräfin. Die Augen Susanna von Thurns weiteten sich, dann begannen ihre Augenlider zu flattern und schlossen sich. Ihre Gestalt schien zu erschlaffen und sich zu ihrer Gastgeberin hinzuneigen. Filippo beobachtete, wie die beiden Lippenpaare ineinander verschmolzen; er hörte das leise Stöhnen der untersetzten Gräfin. Der Anblick der beiden sich mit immer größerer Leidenschaft küssenden Frauen ließ Feuer in Filippos Schoß tropfen. Er warf der fassungslos danebenstehenden Bibiana von Ruppa einen Seitenblick zu; ihr Mund stand halb offen. Sie wusste

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