Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
eigentlich, wenn man dich fragt, wie es mir geht?«
»Dass du noch nicht ganz wiederhergestellt bist«, brummte Cosmas.
»Mhm«, sagte der Gefangene. »Das behaupte ich auch, wenn sie mich fragen.«
»Fragen sie dich denn?«, stieß Cosmas überrascht hervor.
»Alle paar Tage.«
»Wer? Frau …?« Er brach ab und funkelte den Gefangenen an. »Oh nein«, sagte er und schüttelte erbittert den Kopf. »Oh nein, oh nein, oh nein.«
Der Gefangene zuckte mit den Schultern. Er tat, als habe er den Ausrutscher nicht bemerkt. »Wir lügen beide«, sagte er.
»Ich bin dir unendlich dankbar«, sagte Cosmas höhnisch und versuchte zu verbergen, dass er es tatsächlich war.
»Irgendwann ist damit natürlich Schluss.«
»Natürlich.«
»Dann werden sie mit mir das tun, wozu sie mich aufgespart haben, und mit dir …« Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.
»Du machst mir keine Angst«, log Cosmas.
Der Gefangene lehnte sich zurück. »Das beruhigt mich. Ich hätte es nicht gern, dass deine Hände noch mehr zittern.«
Cosmas verbarg seine Hände wütend unter der Tischplatte. »Du hast keinen Grund, dich zu beschweren. Du lebst noch, oder?«
»Zu Hause«, sagte der Gefangene, »habe ich ein Fass Tokajer. Es gibt Leute, die sagen, Muskateller wäre besser, andere schwören auf Commandaria oder Málaga. Ich weiß nicht …«
»Hör auf«, sagte Cosmas. Er hatte Mühe, den sich plötzlich in seinem Mund sammelnden Speichel zu schlucken.
»Schmeckt dir das süße Zeug auch nicht? Da haben wir was gemeinsam. Lass mich raten … Biturica! Du bist ein Biturica-Typ. Der Geschmack nach schwarzer Johannisbeere …«
»Ich hab gesagt, du sollst aufhören!«
»Crabat noir? Mmm, der ist fruchtig, aber doch nicht sauer … ganz lässig, der verliert nicht mal, wenn du ihm Wasser beigibst.«
»Schluss jetzt!«
»Auch nicht? Sag bloß! Carmenre … ehrlich? So schwer? Ich habe vergeblich versucht, ein Fass zu kriegen, das Zeug ist so teuer, als wäre es flüssiges Gold.«
Cosmas bebte. Der Gefangene schien nachzudenken.
»Pynoz? Sieh an, weich, rund, geschmeidig …«
Cosmas sprang auf. Er hörte seinen Atem pfeifen. Seine Hände hätten nicht einmal einen Sack Federn halten können.
»HÖR AUF!«, heulte er.
»Jetzt hab ich’s: Sanguis Giove – Jupiters Blut. Donnerwetter, du hast Geschmack!«
»Was glaubst du, wo du hier bist?«, brüllte Cosmas. »Träum weiter von deinem Wein, du Narr! Alles, was es hier gibt, ist Wasser und Brot und am Ende ein Maul voll Erde, wenn sie dich verscharren! Du bist am Arsch der Welt, Mann, und selbst wenn du es schaffst, bis nach Brünn zu laufen, bist du immer noch am Arsch, weil sie dich kriegen werden, und wenn sie dich kriegen, dann wirst du dir wünschen, ich würde hundert Kugeln aus deinem verdammten Fleisch pulen, weil das nämlich ein zartes Streicheln wäre gegen das, was sie mit dir anstellen, und wenn du mir nicht glaubst, du dämlicher Hund, dann beiß doch deine Ketten durch und lauf, aber sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt oder ich solle dir helfen, weil ich verdammt noch mal zusehen werde, wie sie dich in Streifen schneiden, und dann erzähl ihnen mal was von Wein, du Vollidiooooot …« Cosmas brach atemlos ab. Er winselte. Sein Hemd klebte ihm plötzlich am Körper. Sein Brustkorb hob und senkte sich wie nach einem Lauf auf einen Berg. Er fühlte, wie ihm Spucke das Kinn hinunterlief.
»Also nach Brünn könnte man laufen von hier?«, fragte der Gefangene.
Cosmas schrie gepeinigt auf. Er warf sich herum und stürmte aus der Hütte. Fast erwartete er, dass der Gefangene versuchen würde, ihm nachzusetzen, doch er hörte weder den Tisch umfallen noch das Straffen der Kette, noch den erstickten Schrei, mit dem die Fessel ihn zu Boden warf. Er hörte gar nichts. Es war anzunehmen, dass der Gefangene einfach ruhig sitzen geblieben war.
Stöhnend und vor Wut und Not gleichermaßen aufschreiend, stolperte Cosmas durch den Wald.
Was war das für eine Hölle, in der einen selbst die armen Seelen martern konnten?
2
Kardinal Melchior Khlesl blickte auf, als seine Wachposten mit dem üblichen Gepolter zur Tür hereinkamen. Seit Tagen waren es die gleichen Gesichter. Offenbar gingen König Ferdinand die Soldaten aus. Der Kardinal war wohlinformiert über alles, was sich in Böhmen zugetragen hatte, besser wahrscheinlich als die jeweiligen Anführer der Parteien, Ferdinand von Habsburg und Heinrich Matthias von Thurn. Beide Seiten waren im
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