Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Augenblick fest davon überzeugt, dass der jeweils andere bereits ein stehendes Heer unter Sold hielt, und rüsteten wie verrückt. Der Krieg war nicht mehr zu vermeiden, und da die meisten sich darauf freuten, hatte der Kardinal aufgegeben, sich deswegen zu grämen. Wenn ihm etwas leidtat, dann dass das Vermögen, das er angehäuft und einmal Cyprians Familie hatte zukommen lassen wollen, jetzt für die Stiefelwichse der Offiziere und die Trosshuren des Heers seiner katholischen Hoheit König Ferdinand zum Fenster hinausgeworfen wurde.
Der Leibdiener des Schlossverwalters kam herein.
»’as Essn, Eminenz«, rollte er. »Forell’n und Wasser, wie g’wünscht, net?«
Melchior nickte ihm zu, ohne die Miene zu verziehen. Neue Nachrichten, wie es schien.
»Öha«, sagte einer der Wachposten, den Melchior seiner Sprache wegen bereits als einen Mann aus dem Herzogtum von Maximilian von Bayern identifiziert hatte. Der Leibdiener wandte sich ihm zu.
»Fangt’s an, es wird chalt«, sagte er ungeduldig.
Dann sah Melchior zu seinem Entsetzen, wie der Soldat den Krug nahm, den Leibdiener angrinste und ihn auf den Boden ausleerte. Das Wasser spritzte vom Holzboden hoch, und der Soldat fuhr mit dem Finger in die Öffnung, um den kupfernen Einsatz herauszunehmen. Er ließ ihn zu Boden fallen. Melchior konnte nicht anders, als vollkommen fassungslos zuzusehen, wie der Mann den Krug umdrehte, damit die Schreibutensilien herausfielen.
Nichts fiel heraus.
Der Soldat blinzelte überrascht.
Dann schnappte er sich das Tablett, riss es dem Leibdiener aus der Hand und drehte es ebenfalls um. Eine herrlich gebratene Forelle klatschte auf den Boden, Erbsen rollten davon, der Tonteller ging in Scherben. Die Hände des Leibdieners waren leer; auf der Rückseite des Tabletts klebte nichts. Die Augen des Soldaten verengten sich, während sein Mund offen stand. Er drehte das Tablett wieder um.
»Was?«, fragte der Leibdiener.
»Leck mich doch am Arsch«, sagte der Soldat ratlos.
»Jetzt chönnt’s ihr der Eminenz was Neues zum Essen holen«, knurrte der Leibdiener. »Ich bin doch net euer Hanswurscht.«
Die Soldaten wechselten einen Blick. Derjenige, der die Untersuchung vorgenommen hatte, begann, langsam zu erröten.
»Du bleibst hier!«, bellte er.
Der Leibdiener nickte.
Die Soldaten polterten hinaus, ihren Auftrag, niemals einen Besucher mit dem Kardinal allein zu lassen, vergessend. Der Leibdiener zuckte mit den Schultern, zog ein kleines Päckchen Korrespondenz aus der Jacke und eine Feder und einen Tintenstein aus der Tasche. Er legte es dem Kardinal auf das Bett, und dieser zog seine Decke darüber.
»Woher hast du’s gewusst?«, fragte Kardinal Melchior.
Der Leibdiener zuckte erneut mit den Schultern. Dann deutete er auf seine Nase. » Da muss ma’s haben«, sagte er. Dann spazierte er zum Fenster und sah hinaus. »Wir ham Besuch.«
»Wer?«
»Cheine Ahnung. Hohes Tier, wie’s ausschaut.«
»Hast du ihn nicht gesehen?«
»Und wenn? Wir sind hier so weit weg von allem, net? Ich wüsst’ nicht amal, wie der Chaiser ausschaut.«
Melchior schob die Unterlippe nach vorn. Der Leibdiener nickte. »Ja geh, so schaun sie alle aus, die Habsburger, net?«
Die Soldaten kamen wieder zurück, mit einem neuen Tablett, einer neuen Forelle und einem neuen Krug. Diesmal war Wein darin. Die beiden Männer machten die Gesichter, die Soldaten auf der ganzen Welt machen, wenn sie für die Erfüllung ihrer Pflicht angebrüllt worden sind und nicht verstanden haben, was sie eigentlich falsch gemacht haben.
»An guten Appetit«, sagte der Leibdiener. »Ich chomm dann wieder, wenn ich mich um den Besuch gekümmert hab, net?«
Melchior überflog die Unterlagen, während er das duftende Fleisch der Forelle von den Gräten zog. Es waren Abschriften der Dokumente, die er angefordert hatte. Diesmal stammten sie nicht von Wenzel, sondern von einem seiner eigenen Sekretäre, der nach der Verhaftung des Kardinals Arbeit bei Bischof Lohelius gefunden hatte und seine Stellung dort nutzte, um seinem ehemaligen Herrn den einen oder anderen Gefallen zu tun. Es hatte eine Weile gedauert, bis der Kardinal sie bekommen hatte. Die Unterlagen waren nicht so einfach zugänglich gewesen, und einiges davon hatte über die Schreibstube des mährischen Landeshauptmannes angefordert werden müssen. Aber Melchior hatte sich auch in den Zeiten, in denen er noch im Amt als kaiserlicher Minister gewesen war, stets darauf verlassen, dass seine Sekretäre und
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