Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
mehr, sondern die Fratze des Teufels, und um dessen Abbild herum wurde alles andere schwammig und trüb, bis es nur noch das Satansgesicht war, das aus dem Spiegel herausblickte und in dem Polyxena von Lobkowicz ertrank.
1618:
3. Teil
Pernstein
Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.
Augustinus
1
Cosmas Laudentrit war es leid. Er war Alchimist, bei Hermes Trismegistos, und kein verdammter Bader. Er nahm einen tiefen Zug direkt aus dem Krug; den Becher verschmähte er. Darauf trinken wir, mein Freund – wir sind kein verdammter Bader! Er stöhnte. Es hatte keinen Sinn.
Es hatte keinen Sinn, sich vorzumachen, dass man Alchimist war, wenn alles, was die Leute von einem wollten, war, dass man sich mit Wunden befasste und ab und zu ein Elixier mixte.
Prost, Cosmas! Auf das Leben!
Das Leben war die Hölle …
Er ließ den Becher nicht deshalb unberührt, weil er für seinen Durst nicht gereicht hätte, sondern weil nicht genug hineinpasste, um beim Gang vom Krug zum Mund nicht fast völlig verschüttet zu werden. Gegen Cosmas’ Hände war das Laub einer Zitterpappel geradezu statuenhaft unbeweglich. Das Zittern ließ nur dann nach, wenn er damit beschäftigt war, einen Bruch zu schienen, einen Zahn zu ziehen, eine klaffende Wunde zu nähen oder eine Salbe auf ein Geschwür zu applizieren. Es war ein Wunder.
Es war ein Hohn.
Hier war er, Cosmas Damian Laudentrit, einer der bedeutendsten Alchimisten der Welt – wenn man ihn nur das hätte sein lassen, was er sein wollte. Stattdessen fristete er sein Leben als Chirurg und Wundheiler, und als wollte das Schicksal ihn verspotten, hatte es ihm Hände geschenkt, die nur ruhig waren, wenn er heilte. Es schien, als sorge allein schon sein Name dafür, dass er es nicht schaffte, der Berufung zu entkommen, die er nicht fühlte: Cosmas und Damian waren die Schutzheiligen der Bader, Ärzte und Apotheker. Warum konnte er nicht Johannes Jakobus heißen? Schon bei seiner Taufe hatte man ihn verspottet.
Prost, Cosmas! Auf den Tod!
Der Tod war auch nicht besser.
Er starrte den Krug an, der vor ihm auf dem Tisch stand.
Es hatte auch keinen Sinn, sich vorzumachen, dass Wein darin war.
Er bekam hier keinen Wein. Er hatte es nicht einmal geschafft, Bier zu bekommen. Man gab ihm Wasser, wenn er durstig war. Ihm, dessen Leben seit Jahren nur erträglich war, wenn er es durch einen Schleier aus vergorenen Trauben betrachtete. Er stöhnte erneut. Wenn er nicht zu viel Angst gehabt hätte, wäre er schon lange auf und davon.
Er hatte sich die Hölle immer als einen Ort vorgestellt, an dem die armen Seelen mit glühenden Zangen gequält wurden und wo Luzifer in all seiner Hässlichkeit auf dem Thron des höllischen Inquisitors saß, einen seiner bocksbeinigen, fratzengesichtigen Oberteufel neben sich, über das Geheul der Gemarterten aus voller Brust lachend.
Hier hingegen war der Teufel eine Frau in Weiß von solcher Schönheit, dass man sich bei dem Gedanken, sie einmal zu besitzen, einen herunterholen musste, wenn man jemals Schlaf finden wollte. Der Oberteufel war ein fast ebenso schöner Engel in Menschengestalt. Beide lachten selten. Dennoch war Cosmas überzeugt, dass dies hier die Hölle war. Er hatte einmal etwas gesehen, was der schöne Oberteufel auf einem Karren aus dem Wald hatte zurückbringen lassen und was zuvor ein junges Mädchen gewesen war, das versucht hatte zu fliehen. Auch einem Chirurgen konnte schlecht werden. Nein, um in die Hölle zu gelangen, musste man nicht in die Unterwelt hinabsteigen. Es reichte, wenn einen das Schicksal nach Pernstein verschlug. Hier musste man ständig darüber nachdenken, wie man seine Füße zu setzen hatte: Der Gefangene durfte nicht wissen, wo er war, die weiße Frau durfte nicht wissen, dass es den Gefangenen gab, der Oberteufel durfte nicht wissen, was er jeden Morgen mit Salben und Farbe im Gesicht der weißen Frau zu verdecken half …
Er stöhnte noch einmal.
»Man sollte meinen, du bist hier der Gefangene, nicht ich«, sagte der Gefangene.
Cosmas musterte ihn mit trüben Augen. Selbst dieser Unselige verhöhnte ihn. Er versuchte, Befriedigung beim Gedanken daran zu finden, dass der Mann ohne ihn nicht mehr leben würde, aber tatsächlich bedrückte ihn dies noch mehr. Er hatte den Burschen vor dem Tod gerettet, und was war der Dank? Genau! Wenn es etwas gab, was man dem Spott entgegensetzen konnte, dann vielleicht die Erinnerung daran, wie er ihm die beiden Kugeln aus dem Leib operiert hatte.
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