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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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die Situation nur noch unberechenbarer. Er fragte sich, ob er nicht einen kapitalen Fehler gemacht hatte. Doch dann fielen ihm wieder das Gesicht des Kindes im Beichtstuhl und das seiner Mutter ein, als er es zu ihr zurückgebracht hatte, und die Schwärze senkte sich einmal mehr in sein Herz. Was immer die Welt darstellte, in die er eingetreten war, sie konnte nicht korrupter sein als die, aus der er gekommen war.
    Quo vadis, domine?
    Er schnaubte. Es gelang ihm nicht, Vittorias Stimme heraufzubeschwören. Wann immer die Frage in seinem Kopf ertönte, hörte er die Stimme der Herrin von Pernstein.
    Heinrich schien ein guter Jäger zu sein. Er folgte einem Pfad durch den Wald, den Filippo immer erst dann erkannte, wenn er ihn schon verfehlt hatte: abgebrochene Zweige, ein zerdrückter Farn, aufgewühlte Stellen in dem dick mit Nadeln und altem Laub bedeckten Waldboden. Es gab kaum Unterholz, so dass sie die Pferde die meiste Zeit im Trab führen konnten. Die unregelmäßige Gangart schüttelte Filippo durch. Er hatte als Junge zuletzt auf einem Pferd gesessen und fühlte sich schon nach kurzer Zeit vollkommen zerschlagen. Dann zügelte Heinrich plötzlich seinen Gaul, und auch Filippo brachte den seinen zum Stehen. Heinrich legte einen Finger an die Lippen.
    Vor ihnen verdichtete sich der Wald zu einem der seltenen Stückchen, wo vor einigen Jahren eine Anzahl alter Bäume umgestürzt sein musste und Licht genug bis zum Boden gelangt war, um einer Anzahl neuer Bäume das Wachstum zu ermöglichen. Sie bildeten das verfilzte Tableau eines stummen, erbitterten Kampfes um die Herrschaft, dem die ersten Kombattanten bereits zum Opfer gefallen waren. Das Grün war mit dem Braun abgestorbener Äste durchsetzt.
    Heinrich beugte sich ihm herüber. »Widersprechen Sie mir«, hauchte er.
    Dann sagte er laut: »Da drüben kommt keiner durch. Ich schätze, die Spur geht nach rechts.« Er wies an Filippo vorbei.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Filippo.
    »Weil Sie ein dämlicher Pfaffe sind und keine Ahnung haben«, sagte Heinrich. Filippo wusste, dass es ihm sogar bei dieser Scharade Freude machte, ihn zu beleidigen. »Setzen Sie Ihren Hintern in Bewegung.«
    Sie bogen von der bisherigen Richtung ab, bis das verfilzte Waldstück nicht mehr zu sehen war. Heinrich zügelte das Pferd und sprang aus dem Sattel.
    »Woher wollen Sie wissen, dass unsere Beute dort drin ist?«, fragte Filippo.
    Heinrich tippte sich an die Stirn. »Weil ich rechnen kann, wie lange es dauert, bis ein Pferd im Trab einen Fußgänger eingeholt hat, selbst wenn der Fußgänger rennt, so schnell er kann.«
    Filippo nickte. »Was jetzt?«
    »Wir binden die Gäule hier an. Ich erkunde die Lage, komme zurück, und dann sind Sie an der Reihe.«
    »Womit?«, fragte Filippo überrascht.
    Heinrich machte eine zugreifende Bewegung und grinste ihn verächtlich an.
    »Das ist Unsinn«, sagte Filippo. »Sie sind ein erfahrener Kämpfer; ich nicht. Der Bursche wird mir durch die Lappen gehen.«
    »Unsere Beute«, sagte Heinrich, »kann selbst von einem Pfaffen überwältigt werden, keine Sorge. Das ist es doch, was euresgleichen hauptsächlich zum Opfer fällt: Kinder und dumme Weiber.«
    Filippo starrte ihn an. Er wollte eine scharfe Erwiderunggeben, aber der Beichtstuhl stieg erneut in seinem Bewusstsein empor. »Wir verfolgen eine Frau?«
    Heinrich legte erneut einen Finger an die Lippen, dann rannte er leichtfüßig in eine Richtung, die ihn zur Flanke des Dickichts bringen würde. Filippo kauerte sich zusammen und schaute ihm hinterher, wie er zwischen den Bäumen verschwand. Er wünschte sich, dem Befehl Polyxena von Lobkowicz’ nicht gefolgt zu sein.
    Heinrich kam überraschend schnell zurück. Er grinste.
    »Perfekt«, sagte er leise. »Ein besseres Versteck hätte sie sich nicht aussuchen können.«
    »Weil es leicht zugänglich ist?«
    »Nein, weil es ganz in der Nähe ist.« Heinrich schüttelte den Kopf. »Passen Sie auf. Ich möchte, dass Sie die Strecke, die ich genommen habe, entlangschleichen, bis Sie den Rand des Unterholzes erreichen. In seiner Mitte ist eine kleine Lichtung, auf der ein alter Baum vermodert. Sie hat vermutlich gedacht, dort kann sie eine Weile verschnaufen. Suchen Sie sich ein Versteck. Sie werden hören, dass auch ich nach einer Weile dorthin komme. Es wird aussehen, als hätten wir die Spur verloren und uns getrennt. Sie wird versuchen, mich aus dem Dickicht heraus im Auge zu behalten. Das ist Ihre Chance: Dringen Sie dort ein, und

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