Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
gefährlich er war. Dennoch hielt sie die Vorstellung aufrecht, die sie beide von Anfang an gegeben hatten. Die Versuchung war fast unwiderstehlich, doch er trottete nur neben ihr her.
»Gott erbarme sich deiner, mein Sohn«, sagte sie zum Abschied, dann schlug sie die Pforte hinter ihm zu.
Er ging steifbeinig zu seinem Pferd, das er angebunden draußen hatte stehen lassen, um so schnell wie möglich wieder von hier fortzukommen. Er fühlte seinen Nacken prickeln und sich selbst seltsam leicht. Zum ersten Mal hatte einer seiner Pläne versagt. Ein Schauer überlief ihn. Das Schlucken fiel ihm schwer. Er konnte sich kaum erinnern, jemals solche Wut empfunden zu haben.
6
» Sie müssen den Propst verständigen. Um der Liebe Christi willen!«, sagte Leona. Ihre Stimme klang noch immer krächzend, und auf ihrem Hals war die Haut von Würgemalen wund. Die Äbtissin schüttelte den Kopf.
»Es hätte keinen Sinn«, seufzte sie. »Dieses Kloster hat keinerlei Kredit mehr. Bevor ich hierherkam, war dies ein Ort der Sünde mit der damaligen Äbtissin als Anführerin in der Unkeuschheit. Wenn ich diese Geschichte erzähle, wird man mir kein Wort glauben.«
»Aber Sie und die Schwestern führen doch ein gottesfürchtiges Leben!«
»Ja, jetzt«, sagte die Äbtissin. »Im Alter. Und nun holenuns die Sünden ein, die diesen heiligen Ort entweiht haben. Gottes Mühlen mahlen langsam.«
»Gott hat die Sünden, die hier begangen wurden, längst vergeben.«
»Aber die Stellvertreter Gottes unter den Menschen vergeben weder, noch vergessen sie.«
»Ich kann allein nichts ausrichten. Dieser Teufel hat meine Isolde, und jetzt hat er auch noch Alexandra in seiner Gewalt. Ich bin ein altes Weib. Ich wollte in Prag Hilfe holen, aber dort gab es nur noch größeres Leid …«
»Es tut mir leid«, sagte die Äbtissin. Sie machte eine einladende Handbewegung zum Eingang des Hospizes. »Du kannst gern noch einige Nächte hierbleiben, wenn du fürchtest, dass er draußen auf dich wartet.«
»Er wartet nicht«, sagte sie. »Er reitet zu seiner Teufelshöhle zurück und wird dort seinen Zorn an denen auslassen, die nichts dafürkönnen. Wenn Sie mir nicht helfen, Mutter Oberin, bleibt mir nichts anderes übrig, als selbst dorthin zu gehen.«
Die Äbtissin presste die Lippen zusammen und schwieg.
»Niemand wird die Sünden vergeben, die auf diesem Kloster lasten, wenn Sie sich nicht selbst vergeben«, sagte Leona.
Das Gesicht der Äbtissin zuckte.
»Gott sei mit dir, meine Tochter«, sagte sie zu Leona, dann ließ sie sie stehen.
7
Ein Tagesritt war bei Weitem nicht genug, um die Schmach abzumildern. Wenn ihm auf dem Weg von Frauenthal zurück nach Pernstein eine lebende Seele begegnet wäre, er hätte sie auf der Stelle umgebracht. Aber nicht einmal ein Tier kam ihm nahe genug, dass er eine der Sattelpistolen hättezücken und ihm die Eingeweide herausblasen können. Heinrich schien es so, als sei eine geheimnisvolle Warnung ausgesprochen worden, dass der Teufel selbst nach Pernstein ritt, und alle versteckten sich zitternd. Was ihn betraf, so hatte wenigstens diese Vorstellung etwas Tröstliches.
Noch immer innerlich bebend vor Wut, kam er in Pernstein an. Er richtete den Blick auf die Brücke zum Bergfried, doch zu seinem Erstaunen war sie leer. Als er in den Stall ritt und sich aus dem Sattel gleiten ließ, wusste er, warum: Sie stand im Eingang zu dem baufälligen hölzernen Schuppen und musterte ihn.
»Erfolgreich?«, fragte sie.
Er zog einen Augenblick lang in Erwägung zu lügen. »Nein«, sagte er dann.
»Es gibt ein weiteres Problem.«
»Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen!«, schnappte er und suchte nach einem Hafersack, den er dem Pferd umbinden konnte. Die Stallburschen waren nicht gern in der Nähe, wenn Heinrich im Stall war, und wenn beide – die Herrin und ihr unberechenbarer Gefährte – zugegen waren, schienen sie geradezu unsichtbar zu werden. » Ich bin die Lösung. Warten Sie nur ab!«
»Wie schön«, sagte sie. »Die nächste Aufgabe wartet schon auf Sie.«
»Ich habe einen wunden Arsch«, sagte er mit bewusster Grobheit. »Ich bin zwei Tage fast ununterbrochen im Sattel gewesen. Ich steige heute nicht mehr aufs Pferd.«
»Isolde ist verschwunden«, sagte sie.
Er hielt inne, den Hafersack noch in der Hand. »WAS?!«
»Kein Grund zu schreien. Es ist Ihre Schuld, nicht meine.«
Er setzte an, um ihr zu widersprechen, aber dann schwieg er. Zuerst ging ihm Leona durch die Lappen, und dann
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