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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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gehalten. Er hätte allenfalls den Meister gebeten, keine Gesichter aus Obst oder Gemüse zu malen, sondern aus Geschlechtsteilen. Er hatte stets empfunden, dass die Bilder Arcimboldos aus einem gewissen Blickwinkel wie Tausende einzelner Mösen aussahen; einmal war er sogar frech genug gewesen, dies im Haus eines Hofbeamten zu äußern, der seine ganze Familie samt toten Urahnen von Arcimboldo hatte darstellen lassen. Es hatte Zeiten gegeben, da war er noch unvorsichtig gewesen … Der Lohn für seine lose Zunge hatte darin bestanden, nie mehr eingeladen zu werden, was insofern bedauerlich war, als die Dame des Hauses ihm vor seinem Rausschmiss ins Ohr geflüstert hatte, dass sie genauso empfand und dass sie ihm gern Gelegenheit gegeben hätte, demnächst die Malerei mit einem echten Objekt zu vergleichen. Wie auch immer, Heinrich war überzeugt, dass Giuseppe Arcimboldo, hätte er ihm seine Auslegung von des Meisters Kunstwerken direkt mitgeteilt, gelacht und ihm einen Becher Wein angeboten hätte. Arcimboldo war bereits nach Mailand zurückgekehrt, als Heinrich noch nicht einmal geboren war, und vor beinahe zwanzig Jahren gestorben. Dennoch war sich Heinrich sicher, dass sie beide sich verstanden hätten. Es brauchte einen Spitzbuben, um einen anderen zu erkennen.
    Die Bilder in diesem Raum waren Allegorien, Heiligenbilder, einige nachgedunkelte Lobkowicz’sche Ahnen, eine Szene voller muskelstrotzender Rüstungsträger mit einem halb nackten Weibsbild in ihrer Mitte, der übliche Wandschmuck. Ein Porträt hing etwas prominenter. Heinrich pfiff durch die Zähne. Wer immer die Frau war, die darauf dargestellt war, er hätte sie gern kennengelernt. Heinrich ging näher heran. Er hätte sie sogar sehr gern kennengelernt. Wenn man die steife Haltung, das formelle Gewand, die strenge Frisur und die mögliche Inkompetenz des Malers in Rechnung stellte, musste die Schönheit auf der Leinwand in Wahrheit umwerfend sein. Vermutlich war sie eine angeheiratete Verwandte – der pausbäckige Lobkowicz konnte keine solche Aphrodite in seinem Stammbaum haben – und seit hundert Jahren tot. Dann fiel ihm ein kleines Gemälde auf, das der Maler im Hintergrund seines Porträts abgebildet hatte. Es war das Bild mit den antiken Soldaten und der Halbnackten. Heinrich prüfte das Original und stellte überrascht fest, dass es ein Datum vom vorvorigen Jahr trug. Das Porträt war maximal zwei Jahre alt. Und plötzlich wurde ihm klar, wen es darstellte: Polyxena von Lobkowicz, vormalige Rosenberger – die Frau des jetzigen Reichskanzlers und die Witwe des früheren königlichen Burggrafen. Er trat einen Schritt zurück. Er hatte immer sagen hören, dass Polyxena von Lobkowicz die schönste Frau des ganzen Heiligen Römischen Reichs sei, und sich im Stillen darüber lustig gemacht. Wie es schien, hatte er zu früh gelacht. Er pfiff noch einmal durch die Zähne. Nun konnte er auch die Szene mit den Soldaten zuordnen: Sie stellte die Opferung der mythologischen Polyxena am Grab des Achilles dar. Er studierte das kleine Gemälde ganz genau, in der Hoffnung, dass der Maler der halb nackten Frau die Züge Polyxenas gegeben haben mochte, aber er hoffte vergebens. Mit nur halbem Amüsement stellte er fest, dass der Gedanke ihn erregte, und er zupfte an seinen Hosen herum, um darin etwas Platz zu schaffen. Wie hatte der unscheinbare Lobkowicz es nur geschafft, dieses Prachtweib zu ehelichen? Wahrscheinlich leckte er ihr die Füße und fragte sie nach dem Besuch ihrer Liebhaber fürsorglich, ob es ihr gefallen habe. Heinrichs Hose, so weit, wie es die herrschende Mode verlangte, fühlte sich dennoch eng an.
    Eine kleine, von widerstreitenden Gedanken und Gefühlen bestimmte Weile später kam ein Lakai, führte ihn endlos durch das Haus und stellte ihn in einem weiteren Raum ab. Die vorherige Nervosität ergriff wieder Besitz von Heinrich. Vielleicht war er zu leichtsinnig gewesen! Vielleicht hatte doch jemand Toro gesehen, wie er sich am Leichnam des Kaisers zu schaffen gemacht hatte, und hatte über die letzten Wochen hinweg versucht, aus dem Ableben der Zwerge inklusive Toros einige Schlüsse zu ziehen. Heinrich hatte den Schlüssel zu der Truhe in die Moldau geworfen. Aber vielleicht hatte Toro ja noch genug Atem gehabt, irgendjemandem etwas ins Ohr zu flüstern? Plötzlich verfluchte er sich dafür, sich nicht deswegen vergewissert zu haben. Der Gedanke, das Haus einfach zu verlassen und sich für die nächste Zeit unsichtbar zu machen,

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