Die Wächter Edens
»Nein. Es ist sehr gefährlich.«
Toni seufzte erneut.
»Du solltest dich vielleicht noch ein wenig ausruhen, den Kopf frei kriegen«, empfahl Alfred.
»Du meinst, ich sollte versuchen nicht daran zu denken, dass ich heute Nacht womöglich von einer Höllenkreatur getötet werde?«
»Ja«, sagte Alfred ernst und stand auf. »Ich werde für euch beten.«
Toni war zu perplex, um etwas zu erwidern, er starrte dem ungewöhnlichen Pfarrer nur stumm hinterher.Schließlich richtete er seinen Blick wieder auf das Jesuskreuz. »Hilf mir heute Nacht«, bat er inständig. Dann ging er auf sein Zimmer.
Es klopfte laut an der Tür. »Toni, bist du wach?«, drang Shanes Stimme gedämpft durch das Holz.
Toni schreckte aus dem Schlaf hoch und setzte sich auf die Bettkante. Er hatte also tatsächlich noch ein wenig Schlaf gefunden, obwohl seine Gedanken unentwegt um ihre bevorstehende Aufgabe kreisten und die Frage, wie ein Dämon wohl aussehen mochte. Draußen war es bereits dunkel, darum schaltete er das Licht an. Kaltweiß erstrahlte es von den Wänden. Ich werde mir eine neue Birne besorgen , ging es ihm durch den Kopf. Er klatschte in die Hände, stand auf und ging zur Tür.
Shane erwartete ihn breit grinsend. »Komm, Vincent und Noriko warten schon.« Er reichte ihm einen schwarzen Mantel. »Muss ja nicht jeder gleich deine Waffe sehen.«
Erst jetzt bemerkte Toni, dass er schon den ganzen Tag die Pistole in einem Schulterholster trug. Er deutete mit einem Kopfnicken darauf. »Wird das reichen?«
»Für einen Dämon?«, lachte Shane. »Wohl kaum, aber für den Wirtskörper allemal.«
Toni schauderte es beim Gedanken an die Konsequenz, die sich aus diesen Worten ergab. Er zog den Mantel an, schritt schweigend an Shane vorbei und sie gingen gemeinsam hinunter ins Mittelschiff der Kirche, wo Noriko und Vincent bereits auf sie warteten.
»Also«, sagte Shane in seiner gewohnt unbekümmerten Art, »wo müssen wir hin?«
Vincent schloss kurz die Augen und sagte dann: »Osten. Ein Haus am Stadtrand.«
Während sie zum Van gingen, hielt Noriko Toni am Arm fest. »Halte dich lieber ein wenig zurück«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Noriko und Shane nahmen vorne im Van Platz. Toni zögerte einen Moment, setzte sich dann aber neben den blonden Mann in den Fond des Vans. Vincent musterte ihn mit dem durchdringenden Blick, der seine blauen Augen wie eisige Dolche erscheinen ließ, und Toni hatte alle Mühe, dem Blick mit Würde standzuhalten.
Shane beendete die drückende Stille, als er den Zündschlüssel herumdrehte und der Dieselmotor nach kurzem Stottern ansprang. »Ah, das hätte ich fast vergessen«, sagte Shane und warf Toni ein kleines, rundes Etwas zu. »Wir wollen ja in Verbindung bleiben.«
Toni betrachtete den Gegenstand genauer und erkannte, dass es sich um ein kleines Ohrmikrofon handelte.
»Keine Sorge, die Batterie hält ein paar Stunden«, versicherte Noriko. »Und man gewöhnt sich recht schnell an die ganzen Stimmen im Kopf.« Ihr Blick fiel auf Vincent, der teilnahmslos zum Fenster hinausstarrte. Toni glaubte in Norikos Augen einen Anflug von Sehnsucht zu erkennen, doch als die junge Frau bemerkte, dass er sie beobachtete, drehte sie sich rasch nach vorne.
Shane legte eine CD ins Autoradio ein, und wenig später schallte »Vox Populi« von 30 Seconds to Mars aus den Boxen.
»O Mann, immer der gleiche Song, wenn wir losfahren«, stöhnte Noriko. »Und immer dieser Emo-Rock.«
»Na und?«, lachte Shane. »Wir ziehen doch auch in eine Art Krieg. Ich finde, es passt ganz gut.«
»Aber muss es denn immer das gleiche sein?«
»Sieh es als unser Ritual. Eine Art Eröffnungsgesang des Gottesdienstes.
»Selbst Alfred wechselt die Lieder hin und wieder durch«, hielt Noriko weiter dagegen. »Lass uns wenigstens abstimmen!«, bat sie.
Toni zuckte die Achseln. »Ich finde es nicht schlecht. Und ich höre es zum ersten Mal.«
»Zwei zu eins«, lachte Shane.
Toni fiel auf, dass Vincent bei der ganzen Unterhaltung außen vor blieb. Er beteiligte sich nicht, äußerte keine Meinung – aber was noch viel gravierender war: Niemand spricht ihn an! , dachte Toni. Als wäre er gar nicht wirklich hier. Als wäre es verboten, ihn nur anzusehen .
Noriko stöhnte laut auf. »Also muss ich jetzt noch länger diesen Mist hören, bloß weil Toni musikalisch ahnungslos ist?«
Shane zuckte grinsend die Achseln. »So sieht’s aus, nicht wahr?«
»Ihr braucht meinetwegen nicht zu streiten«, versuchte Toni zu
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