Die Wächter Edens
Toren des Paradieses um das Öl des Lebensbaumes bat, um Adam vor dem Tod zu retten. Michael verweigerte es ihm, gab ihm aber einen Zweig des Lebensbaumes. Später wurde aus diesem Holz das Jesuskreuz gemacht«, sinnierte Shane. »Klingt ziemlich verrückt. Jeder Normalsterbliche wird das als unglaublich abtun. Und wird nicht nach den viel verstörenderen Wahrheiten suchen.«
»Jesus verkörperte den Baum der Erkenntnis«, ergänzte Alfred. »Durch seine Kreuzigung waren beide Bäumewieder vereint, und das hätte uns das Paradies bringen sollen …«
»Was ging schief ?«, fragte Toni neugierig. Die Geschichte klang zwar immer unglaublicher, aber sie passte so perfekt in das Bild der letzten Tage, dass er sie keine Sekunde anzweifelte.
»Es funktioniert nicht mit einem toten Baum des Lebens«, sagte Shane und schlug sich dabei mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Eigentlich ziemlich einleuchtend, wenn man darüber nachdenkt.«
»Und dieser kleine Setzling«, begann Toni, »das ist der Baum des Lebens? Dessen Öl unsterblich macht?«
Alfred nickte. »Ganz recht, er ist ein Teil von Gottes Versprechen.«
»Und was macht er dann hier?«
»Vincent ist einer seiner Bewacher«, erklärte Noriko. »Einer der Cherubim, die Gott am Eingang des Paradieses postierte.«
»Und nachdem Gott den Laden dichtgemacht hatte, war es seine und Nathaniels Aufgabe, den Lebensbaum zu bewachen«, warf Shane ein.
Toni verschüttete die Hälfte seines Tees, als die Tasse ihm beinahe aus den Fingern glitt.
Shane klopfte ihm lachend auf die Schulter, wodurch auch noch die andere Hälfte des Tees sich über den Teppich verteilte. »Und du dachtest schon, es könnte nicht mehr verrückter werden, was?«
Toni beeilte sich, die Flüssigkeit mit einer Serviette aufzuwischen, doch Alfred legte ihm lächelnd die Hand auf den Unterarm. »Keine Sorge, Antonio, dieser Teppich hat weiß Gott schon Schlimmeres erlebt.«
Toni atmete tief durch. »Ich muss gestehen, die Stelle hier hält einige Überraschungen bereit.«
Alfred drückte warmherzig seinen Arm. »Aber ich sehe, dass du stark im Glauben bist. Rom hat richtig getan, dich zu uns zu schicken.«
»Und wenn wir eine Erleuchtete finden? Was dann?«
Alfred lächelte verklärt. »Dann erfüllt sich vielleicht Gottes Versprechen.«
Vierzehn
D er nächste Tag ihrer Observierung begann direkt mit einer großen Überraschung. Tom holte sie in einem neuen Kleinwagen ab.
»Gemietet«, antwortete er auf ihren fragenden Blick. »Mein Kombi stand da schon zu oft rum.«
»Und war auch nicht gerade unauffällig«, ergänzte sie.
»Ja, ja.« Er winkte ab. »Jedenfalls tut uns ein wenig Abwechslung sicher gut.«
Arienne stieg in den Wagen ein und deutete mit übertriebener Freude auf das Autoradio. »Wow! Der hat ja sogar einen CD-Player.«
»Wir können auch gerne dein Auto nehmen«, entgegnete Tom und startete den Motor. Wenig später standen sie wieder auf ihrem Posten und beobachteten die Kirche.
Arienne hatte es nicht zum Arzt, geschweige denn zur Apotheke geschafft, und die Mörder schienen nichts zu unternehmen, was ihr ganz recht war. Sie hatte noch immer einen erhöhten Puls von der Aufregung der letzten Tage.
Und heute Abend setze ich mich auch noch in die Kirche , dachte sie. Aber irgendwie müssen wir an die Kerle rankommen.
Sie erinnerte sich plötzlich, dass sie als Kind häufiger in der Kirche gewesen war. Mit Papa! , dachte sie. Er war gläubig. Doch nach seinem Tod hatte ihre Mutter das Gotteshaus gemieden.
»Wenn es einen Gott gäbe, dann würde er uns das nicht antun«, hatte ihre Mutter die Entscheidung begründet.
Arienne versuchte sich an ihre Erfahrungen mit der Kirche zu erinnern, doch es wollte ihr nichts einfallen. Habe ich den Gottesdienst gerne besucht? Hat Papa mich dazu gezwungen?
Diesen letzten Gedanken verwarf sie rasch wieder. Ihr Vater hätte sie niemals gegen ihren Willen mitgenommen, das wusste sie.
Tom hatte wieder für die Verpflegung gesorgt, gebutterte Laugenstangen und kalte Minifrikadellen vom Discounter. Arienne rümpfte über den aufdringlichen Geruch der kleinen Fleischbällchen die Nase – sofern man den Inhalt tatsächlich als Fleisch bezeichnen wollte.
Tom schmeckte die Kombination offenbar ganz vorzüglich, da er sich im Verlauf des Tages noch zwei weitere Laugenstangen auf diese Art belegte.
Kurz bevor die Messe eingeläutet wurde, gingen sie den weiteren Plan durch.
»Okay, du gehst da rein, setzt dich unauffällig in die mittlere
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