Die Wächter Edens
ist eure Bereitschaft, euer Leben der Nächstenliebe zu widmen.«
Und wie rechtfertigt man mit diesem schönen Gedanken zwei Morde? , fragte sich Arienne. Tom hatte recht, die sind total verrückt. Und es sind verrückte Christen, die sind immer schlimm.
Sie hoffte, dass der Gottesdienst bald vorbei wäre und sie möglichst unbehelligt zurück in Toms Kombi gelangen könnte.
Endlich läutete die Glocke das Ende des Gottesdienstes ein und Arienne dankte still dem Herrn, dass er sie erlöste. Sie wartete, bis die alten Damen um sie herum aufstanden, dann bewegte sie sich einfach mit der Masse nach draußen. Von den Mördern jedoch fehlte jede Spur.
»Bis nächste Woche dann«, verabschiedete sich die handyversierte Dame und lächelte ihr freundlich zu.
Arienne überlegte einen Moment, was sie darauf erwidern sollte, beließ es aber bei einem dankbaren Kopfnicken.
Zurück beim Wagen erzählte sie Tom von dem Gottesdienst, soweit sie ihn verfolgt hatte. Und natürlich ließ sie kein Detail der Mörder aus, das ihr aufgefallen war.
»Also, die drei sitzen einfach so in der letzten Bank wie die coolen Kids in der Schule?«, fragte Tom hustend. »Mann, die haben vielleicht Nerven.« Er blickte auf die Uhr, es war schon kurz nach neun. »Hmm, sollen wir noch hierbleiben oder nach Hause fahren? Sieht nicht so aus, als würden sie heute noch mal rausgehen. Und ich bin ziemlich fertig.« Seine Stirn war schweißnass und seine Wangen feuerrot. Der Husten war schlimmer geworden, doch Tom weigerte sich zum Arzt zu gehen.
Arienne dachte kurz nach. »Lass uns noch bleiben. Der letzte Mord fand am Wochenende statt …«
»Ah, du denkst, sie ziehen immer nach der Kirche los?«, warf Tom ein. »Der Gedanke gefällt mir. Allerdings passt das letzte Opfer nicht ganz ins Bild. Den haben wir an einem Freitag gefunden und er wurde in der Nacht davor ermordet.«
»Stimmt. Aber vielleicht war sein Tod für Mittwoch vorgesehen und hat sich nur verzögert?«
Er runzelte die Stirn. »Und die anderen Opfer? Kamen die auch alle an einem Tag mit Gottesdienst um?«
Sie schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Nein, das nicht …«
Ein Motor wurde gestartet und Tom blickte auf. »Na, da brat’ mir doch einer meine Eier!« Er deutete mit dem Finger zur Kirche, und Arienne erkannte, dass der Minivan gerade losfuhr. »Na warte, die entkommen uns nicht.« Er drehte den Zündschlüssel und der Benziner schnurrte leise auf.
*
Alfred räumte gerade den Weinkelch und die Hostienschale auf, als Vincent in den Kirchensaal kam.
»Seid ihr bereit?«, fragte er ohne Umschweife.
Toni, Shane und Noriko waren direkt nach der Messe wieder in die Kirche gekommen und warteten nur auf Vincent.
Toni war den ganzen Tag über nervös gewesen. Heute Abend machen wir Jagd auf einen Engel! , ging es ihm ununterbrochen im Kopf herum. Keinen Dämon der Hölle, sondern einen Diener Gottes!
Jetzt saß er zwischen Shane und Noriko und auch ihnen stand die Anspannung deutlich ins Gesicht geschrieben.
Shane fand als Erster seine Stimme wieder. »So bereit, wie man nur sein kann, wenn es gegen einen Engel geht, glaube ich.«
»Steht auf.« Er trat näher heran und versammelte sie um sich. Er reichte ihnen die Hände, die Handflächen wiesen nach oben.
Toni griff nur zögerlich zu. Es war das erste Mal, dass er den Engel berühren würde. Wie wird sich seine Haut wohl anfühlen? , fragte er sich. Seine Fingerspitzen berührtenVincents Haut, die sich glatt wie Seide – nein, glatter als Seide – anfühlte. Toni musste sich anstrengen, um Falten in der makellosen Haut auszumachen. Und sosehr er sich auch bemühte, er konnte keine Fingerabdrücke erfühlen.
Als Vincent zupackte, fühlte Toni sich mit einem Mal von Wärme und Licht durchströmt. Geborgenheit. Frieden. Es war ein beruhigendes Gefühl, wie die Umarmung einer liebenden Mutter. »Euer Mut wird heute Nacht nicht sinken, ihr Kinder Gottes«, sagte Vincent leise, doch mit durchdringender Stimme. »Und welchen Fehltritt ihr heute Nacht auch immer tun werdet, Gott hat euch bereits verziehen. Denn heute Nacht werdet ihr zum willigen Werkzeug seiner Rache. Und sollte es sein Wille sein, euch heute Nacht zu sich zu holen, dann seid gewiss, dass ihr an seiner Seite sein werdet. Der Himmel, ihr Kinder Gottes, wird euch mit jauchzenden Chören empfangen.«
Schließlich ließ er ihre Hände los und wirkte wieder so unnahbar wie in den letzten Tagen.
»Sollen wir schweres Gerät mitnehmen?« Shane
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