Die Wächter Edens
einem USB-Stick.
Endlich holte die Müdigkeit sie ein und Arienne fiel erschöpft ins Bett.
*
Dicke Schneeflocken schwebten sanft auf sie herab, blieben in ihren Haaren hängen wie weiße Perlen. Das Licht der Straßenlaterne schien in warmem Gelb und tauchte die Welt in einen dezenten Sepiaton, wie es bloß ein sommerlicher Sonnenuntergang vermochte. Sie betrachtete das dunkle Gebäude mit wachsendem Interesse. Wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen und ging langsam darauf zu. Hoch aufragende Mauern aus dunklen, grob behauenen Steinen schienen sich endlos in die Höhe zu strecken.
Arienne machte einen weiteren Schritt, doch die Wand schien sich um dieselbe Distanz zu entfernen. Sie blickte zu Boden, doch kein einzelner Fußabdruck zeugte von ihrem Weg.
Im obersten Stockwerk des Gebäudes strahlte grelles Licht, drang durch das Fenster und jede noch so feine Mauerritze auf die Straße hinaus.
Plötzlich zerbarst die Glasscheibe unter lautem Klirren in Millionen kleine Splitter, die wie Sterne am Himmel funkelten. Arienne wollte sich wegducken und schützend die Arme über den Kopf schlagen, doch sie konnte sich nicht rühren und nur gebannt auf das Spiel der Lichter starren.
Wohlige Wärme umfing sie und sie glaubte für einen Moment die Umarmung ihres Vaters zu spüren und schloss die Augen.
»Celine«, flüsterte eine wunderschöne Stimme in ihr Ohr. »Du bist es.«
Sie hob langsam die Lider und blickte in das strahlendstePaar blauer Augen, das sie jemals gesehen hatte. »Wer bist du?«, fragte sie leise aus Angst, dass ein zu lautes Geräusch den Traum beenden und die Gestalt verjagen könnte.
»Ich habe dich gesucht«, sagte die Lichtgestalt und hob die Hände, als wenn sie darin ein Geschenk für Arienne hielte. »Den Schlüssel zum Garten Eden.«
Sie wollte etwas sagen oder eine Frage stellen, wollte das Wesen berühren, doch es wurde mit einem Mal davongerissen. Arienne wollte ihm nachlaufen, aber sie trat auf der Stelle.
Etwas fegte sie von den Füßen und sie hörte eine vertraute Stimme. Doch aus den Augenwinkeln erblickte sie nur eine dämonische Fratze.
Sechzehn
I n Tonis Kopf überschlugen sich die Gedanken. Vincent, Nathan, der Lebensbaum, Franck, Celine – zu viele Dinge waren in diesen Minuten auf ihn niedergeprasselt.
Sie alle schwiegen, sogar Shane, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass sie in ernsten Schwierigkeiten steckten. Norikos Schweigen wunderte Toni inzwischen nicht mehr im Geringsten. Aber dass der schottische Hüne nicht in Plauderlaune war, das machte ihm Sorgen.
Vincent ging voran und sie folgten ihm die Treppe hinunter. Franck warf die Tür hinter ihnen laut ins Schloss, und es hörte sich ganz so an, als ob ein schwerer Balken davorgeschoben wurde.
Als wären wir noch im Mittelalter mit Riegeln vor den Toren , versuchte Toni sich abzulenken. Na ja, vielleicht ist es für ihn schwer, sich in unseren Zeiten zurechtzufinden.
Als sie das Museum verließen, blieb Shane plötzlich wie angewurzelt stehen und gab ihnen ein Zeichen, sich ebenfalls nicht zu bewegen. Er starrte auf die Schneedecke. »Wir waren nicht allein«, stellte er plötzlich fest.
Toni versuchte sich an ihre Ankunft zu erinnern. Die Schneedecke des Parkplatzes war nahezu unberührt gewesen. Das Museum hatte nur an Wochenenden geöffnet, unter der Woche war der Parkplatz vermutlich stets verschlossen.
Shane deutete auf eine Reihe von Fußspuren im Schnee. »Die sind nicht von uns.«
Sie verließen das Museum und achteten darauf, keine der bereits vorhandenen Fußspuren zu verwischen. Norikobeugte sich hinunter und maß die Fußabdrücke mit den Fingerspitzen aus. »Größe vierundvierzig«, sagte sie kurz darauf. »Nach der Form zu urteilen, von einem Mann.«
»Ein Dämon?«, fragte Toni.
Noriko zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Falls es einer war, dann hat er sich versteckt.«
»Es könnte einer von Nathaniels Gehilfen sein«, warf Shane ein. »Noriko, kannst du anhand der Spuren seine Bewegungen verfolgen?«
Sie nickte und begann gehockt über den Parkplatz zu schleichen. An der Hausecke blieb sie stehen. »Kommt her, das müsst ihr sehen!«, rief sie ihnen zu.
Sie eilten zu ihr, und Noriko deutete auf die Stelle knapp hinter der Ecke. »Hier hat er gewartet.«
»Also hat er uns definitiv belauscht«, stellte Shane fest.
»Nicht nur das«, sagte Noriko und deutete auf die weiteren Spuren, die auf den Parkplatz führten. »Als er weiterging, hat er keinen
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