Die Wächter von Jerusalem
sah sie bereits den ersten der Männer um die Hausecke biegen, als es plötzlich zu ihren Füßen klirrte.
Mein Kreuz!, dachte sie voller Entsetzen und bückte sich, so schnell ihr Leibesumfang es zuließ, nach dem im Schein der Fackel schimmernden und funkelnden Gegenstand. Es war das mit schön geschliffenen Amethysten besetzte Kreuz, jener Anhänger, den ihr die Nichte des Bischofs von Perugia zum Lohn für ihre Kochkünste und treuen Dienste vor vielen Jahren vermacht hatte. Er war ihr zu teuer, um ihn auf der Straße liegen zu lassen, selbst wenn es sie das Leben kosten sollte.
Sie ergriff das Kreuz und presste es an sich, dann hastete sie weiter. Der Mann wandte ihr das Gesicht zu, gerade in dem Augenblick, als sie den schützenden Durchgang erreicht hatte. Es war ein Janitschar. Im Schein der Fackeln erkannte sie die hohe Mütze und den schimmernden Säbel an seiner Hüfte. Keuchend vor Anstrengung und Angst zog sie sich, so weit sie es wagte, in die Dunkelheit zurück. Sie betete zu Gott, dass der Soldat sie nicht gesehen hatte. Und sie betete, dass nicht neue Schrecknisse – zum Beispiel Diebe, Mörder oder gar Ratten – in der Dunkelheit auf sie warteten.
»Halt, Freunde«, hörte sie den Janitscharen in einiger Entfernung sagen. »Habt ihr das auch gesehen?«
»Was denn?«
»Einen Schatten. Da vorne. Es sah aus, als ob jemand über die Straße huschen würde, um nicht entdeckt zu werden.«
Elisabeth schluckte und presste die Hand vor den Mund. Er hatte sie also doch bemerkt.
»Bist du sicher, Rashid? Ich habe nichts gesehen. Und du, Jamal?«
Schweigen. Elisabeth hätte einen ganzen Kranz jener umbrischen Würste gegeben, die sie für die morgige Mittagsmahlzeit ihrer Herrschaften hergestellt hatte, nur um zu wissen, was die Soldaten jetzt taten. Suchten sie etwa die Hauseingänge ab? Schlichen sie sich näher, weil sie gesehen hatten, wo sie sich versteckt hatte?
»Wahrscheinlich hast du dich getäuscht, Rashid«, sagte eine andere Stimme.
»Oder vielleicht war es auch ein Tier«, fügte eine weitere Stimme hinzu. Elisabeth zählte. Sie waren also mindestens zu viert. Vier Soldaten! Wenn die sie entdeckten, war sie rettungslos verloren. »Vielleicht war es eine Katze auf Mäusejagd. Oder ein streunender Hund. Lasst uns weitergehen.«
Die Schritte kamen näher. Sie schienen an ihr vorbeizugehen. Elisabeth sah die Gestalten der Männer den schmalen Durchlass passieren. Eins, zwei, drei. Sie schöpfte bereits Hoffnung. Doch da verlangsamte der Vierte seine Schritte und blieb direkt vor der schmalen Öffnung stehen. Seine schlanke Gestalt hob sich deutlich vom helleren Hintergrund der beleuchteten Straße ab. Elisabeth zog sich noch tiefer in die Dunkelheit zurück, bis sie mit dem Rücken gegen eine Mauer stieß. Eine Sackgasse! Sie wagte kaum mehr zu atmen. Ob er sie sehen oder hören konnte?
»He, Rashid, was ist denn?«
»Ich weiß nicht«, sagte er und sog dann die Luft ein, als ob er Witterung aufnehmen würde wie ein Spürhund. »Da ist etwas . Da ist so ein merkwürdiger Geruch. Der Geruch von seltsamen Gewürzen und … ja, von Würsten.«
Seine Stimme klang so laut zwischen den dicht beieinander stehenden Mauern, als wäre er direkt neben ihr. Elisabeth blieb fast das Herz stehen vor Angst. Wenn er nun näher kam? Wenn er weiter in den Gang hineinkam? Dann würde er sie finden. Sie konnte nicht fliehen, es gab keinen Ausweg. Was würde er wohl mit ihr machen? Sie schloss die Augen und betete zu Gott um Schutz und Rettung, während sie hörte, dass die anderen wieder näher kamen und ebenfalls schnüffelten. Eine Meute auf der Jagd.
»Aber Rashid, wo hast du denn deinen Kopf?«, sagte einer der anderen und lachte. »Natürlich riecht es hier nach Würsten . Gleich nebenan wohnt schließlich Ibn al Said, der Metzger . Er macht die besten Würste in der Stadt. Ich glaube, es wird Zeit, dass du ins Bett kommst. Du beginnst schon Gespenster zu sehen. Na komm schon, Rashid, lass uns gehen.«
Elisabeth wagte es endlich, die Augen zu öffnen. Der vierte Janitschar stand immer noch im Eingang, so als wäre er sich seiner Sache nicht sicher.
»Ich glaube, ihr habt Recht«, hörte sie ihn schließlich sagen . Er bückte sich und hob etwas vom Boden auf. »Ich habe mich wohl getäuscht. Es muss eine Katze gewesen sein.«
Die Schritte der Soldaten entfernten sich, und schließlich war alles still. Doch Elisabeth wartete lange, bis sie sich endlich traute, ihr Versteck zu verlassen. Langsam und
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