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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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gewesen und hätte ihn oder Yussuf noch in der Wohnung angetroffen, er wäre ohne Zweifel zum Mörder geworden. Rashid wandte den Blick von den beiden Mädchen ab. Auch als er mit seinem Säbel unter den Betten herumstocherte, die Strohmatten beiseite schob und die Wände abklopfte, vermied er es, sie anzusehen. Doch seine Ohren konnte er nicht verschließen. Er hörte ihr leises Wimmern , und er wusste, dass dieses Weinen ihn in seinen Träumen verfolgen würde. Er wünschte, er könnte alles ungeschehen machen. Wäre er nur nicht eingeschlafen.
    Er ging auf den Flur und schloss die Tür hinter sich. Gerade in diesem Augenblick kamen zwei seiner Kameraden die schmale Treppe herunter. Es waren Hassan und Jamal, Zwillingsbrüder , die sich so ähnlich sahen, dass man sie kaum voneinander unterscheiden konnte.
    »Habt ihr etwas gefunden?«, fragte er die beiden.
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Nichts«, sagte der, von dem Rashid glaubte, dass es Hassan war. »Abgesehen von ein paar Kreuzen und einem Topf mit gekochtem Schweinefleisch. Und ihr?«
    »Ebenfalls nichts. Gar nichts.«
    »Wo ist Yussuf?«, fragte Jamal.
    »Er ist schon hinausgegangen«, antwortete Rashid ausweichend . Die beiden waren zwar seine Freunde, doch sie mussten nicht unbedingt wissen, dass er sich mit Yussuf gestritten hatte. Und schon gar nicht, weshalb. »Die Wohnung war zu eng für zwei von uns.«
    »Und was ist mit deiner Hand passiert?«, hakte Hassan nach.
    »Ich habe mir die Knöchel an der Wand aufgerieben, als ich unter einem der Betten nach verborgenen Hinweisen auf diesen Prediger gesucht habe«, antwortete er, nahm eines der Tücher , mit denen er normalerweise die Klinge seines Säbels reinigte , und wickelte es sich um die blutende Hand. »Weiter nichts.«
    Jamal und Hassan hoben die Augenbrauen.
    »Wir dachten, wir hätten einen zornigen Schrei gehört. Dort oben klang es, als ob ihr Schwierigkeiten hättet«, sagte Jamal. »Als ob einer der Christen Widerstand geleistet hätte. Oder so.«
    »Ihr habt euch verhört«, entgegnete Rashid scharf.
    »Ja, natürlich, mag schon sein«, erwiderte Hassan schnell, doch die beiden Brüder warfen einander einen vielsagenden Blick zu. »Aber …«
    Rashid biss die Zähne zusammen, dass es knirschte. »Hört mal, warum steckt ihr zwei eure krummen Nasen nicht einfach in eure eigenen Angelegenheiten und lasst mich in Ruhe?«
    »Ist schon gut, Rashid«, beschwichtigte Jamal. »Du hast Recht, es geht uns nichts an, und wir wollen es auch gar nicht wissen.«
    »Dann seid endlich still.«
    Schweigend stapften sie den Gang entlang und traten auf die Straße hinaus, wo Yussuf sie schon ungeduldig erwartete.
    »Rashid! Hassan! Jamal!«, rief er aus. Er wirkte erleichtert. Es war schon spät, und die schmale Gasse war ziemlich düster. Hier wohnten ausschließlich Christen. Die meisten von ihnen waren zwar überaus friedfertig, allerdings gab es unter den jüngeren auch streitbare Geister, und die waren den muslimischen Soldaten nicht besonders freundlich gesinnt. Dies war weder die richtige Zeit noch die richtige Gegend, um als Janitschar allein auf einer dunklen Straße herumzustehen. »Hast du noch etwas gefunden, Rashid?«
    »Nein.«
    »Und ihr beide, habt ihr …«
    »Nein, auch sie haben nichts entdeckt«, unterbrach ihn Rashid. Sein Zorn war immer noch nicht völlig verraucht, und er wollte nur noch fort von hier und alles vergessen – sofern ihm das überhaupt jemals gelingen würde.
    »He, Rashid, wo willst du denn hin?«, rief Yussuf ihm überrascht hinterher.
    »Ich gehe zum Kochmeister und erstatte ihm Bericht«, rief Rashid über die Schulter, ohne stehen zu bleiben. Mit langen Schritten eilte er weiter. Je schneller er ging, umso mehr Abstand brachte er zwischen sich und die beiden verängstigten Mädchen, das verwüstete Haus, seinen seltsamen Traum und den Gedanken an Speck und knusprigen Schweinebraten. Und vielleicht, wenn er nur schnell genug war, würde sein Gewissen und seine Erinnerung nicht mit ihm Schritt halten können und ebenfalls hier zurückbleiben. »Außerdem habe ich Hunger. Ich will endlich etwas essen.«
    Yussuf schüttelte resigniert den Kopf und seufzte.
    »Lass den Kopf nicht hängen, mein Freund«, sagte Hassan und lächelte. »Du kennst ihn doch. Die Fliege an der Wand reicht aus, um sein Blut zum Kochen zu bringen.«
    Die drei Soldaten lachten.
    »Aber Rashid hat Recht«, sagte Jamal, »es wird Zeit, in die Kaserne zurückzukehren, mit dem Kochmeister zu sprechen

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