Die Wächter von Jerusalem
Sache macht. Und dann …«
»Das wird er gewiss nicht tun.«
»Aha. Und warum nicht?«
»Ich habe ihn beobachtet. Natürlich wollte er auch dieser Spur nachgehen, von der er berichtet hat, aber letztlich war sie nichts weiter als ein willkommener Vorwand. Vor allem war er wegen ihr hier.« Er deutete auf Anne. »Und du kannst mir glauben, er wird bestimmt nichts unternehmen, das sie in Gefahr bringen könnte.«
»Gut, ich gebe zu, den Eindruck hatte ich auch. Der Kerl hat sich aufgeführt wie ein verliebter Kater. Aber Ihr wisst doch, dass diese Janitscharen …«
»Eben. Was glaubst du würden seine Leute mit ihm anstellen , wenn sie davon wüssten? Ich sage dir, Anselmo, eine bessere Sicherheit gibt es nicht. Von nun an wird er jede Möglichkeit nutzen, um zu uns zu kommen. Und wir werden auf diese Art mit allen nötigen Informationen über Giacomo versorgt.«
Anne sah auf. Die Blicke von Cosimo und Anselmo waren jetzt auf sie gerichtet. Unwillkürlich schoss ihr die Röte in die Wangen.
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Es ist schon gut, Signorina Anne.« Cosimo legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. »Ihr braucht Euch Eurer Gefühle nicht zu schämen. Ich kann Euch gut verstehen. Der Bursche ist hübsch, er hat Charme – insbesondere für einen Janitscharen . Zudem solltet Ihr nicht vergessen, dass mein Vetter Giuliano bereits seit über fünfzig Jahren tot ist. Die Trauerzeit ist längst vorüber, Ihr seid eine junge hübsche Frau, noch dazu nicht an ein Eheversprechen gebunden. Dennoch solltet Ihr vorsichtig sein. Es ist nicht ungefährlich, sich mit einem Janitscharen einzulassen.«
Anne war sprachlos. Eigentlich wollte sie sich verteidigen, Cosimo alles Mögliche an den Kopf werfen, ihn beschimpfen. Doch letztlich war ein klägliches »Warum?« alles, was sie hervorbrachte .
»Weil die Janitscharen einen Eid der Ehelosigkeit geschworen haben. Sie dürfen keine Frauen haben.«
»Und wenn sie den Eid brechen, landen sie im Kerker. Und die Frau …« Anselmo zog seinen Daumen mit einem hässlichen Geräusch quer über seine Kehle. »Was seid Ihr so überrascht , Signorina? Schließlich hat Eva Adam den Apfel gereicht und nicht umgekehrt. Es sind stets die Frauen, die den Großteil der Schuld an allem Übel in der Welt tragen.«
Anne sah Anselmo angewidert an. Sie wollte schon zu einer Rede über Frauenfeindlichkeit und Chauvinismus ansetzen, als sie das spöttische Funkeln in seinen dunklen Augen bemerkte.
»Anselmos Darstellung ist wohl ein wenig drastisch geraten , Signorina Anne«, sagte Cosimo ernst. »Doch sie trifft im Kern die Wahrheit. Leider. Hier wie auch andernorts stehen Männer und Frauen vor dem herrschenden Gesetz nicht auf derselben Stufe. Das hat allerdings nicht allein etwas mit den Moslems zu tun. In unserer Heimat Florenz sind die Verhältnisse kaum anders. Oder könnt Ihr mir einen vernünftigen Grund nennen, weshalb Frauen das Studium der Medizin, der Philosophie oder anderer Künste an unseren Universitäten verweigert wird? Eure Meinung als Frau, die eine weit entfernte Zukunft kennt, würde mich sehr interessieren. Ich halte nämlich …« Er brach ab und blinzelte, als würde er erst jetzt bemerken, wo er sich befand. Dann fuhr er sich durchs Haar und stieß einen Seufzer aus. »Aber das ist ein Thema, das wir zu einem anderen Zeitpunkt erörtern können. Jetzt ist nur eines wichtig: Wenn Ihr Euch tatsächlich in diesen jungen Janitscharen verlieben solltet, so müsst Ihr wissen, dass Ihr mehr riskiert als er. Wesentlich mehr. Das wollte Anselmo Euch nur sagen. Und ich habe es hiermit ebenfalls getan. Denn …« Er machte eine Pause, und Anne registrierte das zarte Rosa, das überraschend Cosimos Wangen färbte. »Euer Wohl ist uns keineswegs gleichgültig.«
»Danke. Ich weiß Eure Besorgnis zu schätzen«, erwiderte Anne und fragte sich, wie sie dieses Erröten zu interpretieren habe. War er besorgt, weil er sie mochte, weil ihm etwas an ihr lag? Oder fürchtete er nur um ihre Sicherheit, weil sie für ihn noch eine Aufgabe zu erledigen hatte, und besaß er noch genügend Gewissen und Anstand, um sich dafür zu schämen? Was wusste Cosimo eigentlich über die Zukunft? Benutzte er wie Giacomo de Pazzi hin und wieder das Elixier der Ewigkeit, um sich selbst in der Vergangenheit zu besuchen und zu beraten? Sie sah ihn an. Seine schlanke Gestalt, das schmale, blasse Gesicht mit diesen dunklen Augen, deren Ausdruck einem eisige Schauer über den Rücken jagen
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