Die Wächter von Jerusalem
ihn. Vielleicht. Zur Zeit können wir nur vermuten, dass es sich bei diesem Pater Giacomo, von dem Ihr gesprochen habt, um einen Mann aus unserer Heimat handelt . Er trägt denselben Namen, und was Ihr über ihn erzählt habt, würde zu ihm passen. Doch ob er es wirklich ist, wird sich noch herausstellen.« Er machte eine kurze Pause und sah Rashid so ernst an, dass diesem ein eisiger Schauer über den Rücken lief. »Aber wenn er es ist, wenn er wirklich jener ist, den wir schon so lange suchen, so ist dieser Mann gefährlich. Er ist viel gefährlicher, als Ihr es Euch in Euren düstersten Träumen vorstellen könnt. Und Ihr werdet jede Hilfe brauchen , die Ihr bekommen könnt, um seiner habhaft zu werden. Wir selbst sind schon seit Jahren hinter ihm her – ohne Erfolg .«
»Ist er ein Dämon?«, fragte Rashid und versuchte das Grauen von sich abzuschütteln, das mit tödlicher Kälte seinen Nacken umklammert hielt.
»Nein, keineswegs«, erwiderte der Kaufmann. »Er ist ein Mensch wie Ihr oder ich. Aber meiner Erfahrung nach bedarf es ohnehin keiner Dämonen, um teuflische Werke zu vollbringen . Der Mensch ist in dieser Hinsicht weitaus einfallsreicher .«
»Ich verstehe«, sagte Rashid. Aus irgendeinem Grund tat ihm der Kaufmann plötzlich Leid. »Ihr habt also eine offene Rechnung mit diesem Prediger. Und Ihr seid begierig, sie zu begleichen .«
Der Kaufmann nickte langsam. »Ja, so könnte man es ausdrücken .«
Rashid zweifelte keinen Augenblick an den Worten dieses Mannes. Und er wunderte sich nicht einmal darüber.
»Ihr wollt also etwas tun, damit dieser Pater Giacomo schneller gefasst wird?«
»Ja.«
»So findet heraus, woher die Würste, die Ihr zu Mittag gegessen habt, stammten. Es ist nur ein Verdacht. Sogar weniger als das, eher eine schwache Ahnung. Derjenige, der diese Würste gemacht hat, kann uns vielleicht etwas über die Gestalt verraten, die ich in der Nacht gesehen habe. Wer auch immer das gewesen war, er muss einen Grund gehabt haben, sich vor den Janitscharen zu verbergen. Und vielleicht , wenn wir Glück haben, offenbart dieser Grund weitere Informationen, vielleicht sogar den Aufenthaltsort des Predigers.«
Der Kaufmann neigte den Kopf. »Seid gewiss, wir werden uns darum kümmern.«
»Gut. Morgen komme ich wieder. Und …« Er sah den Kaufmann eindringlich an. »Was hier besprochen wurde, bleibt besser unter uns. Auf diese Weise könnt Ihr Euch viel Ärger ersparen.«
»Ihr habt mein Wort.« Der Kaufmann klatschte in die Hände, und der Türhüter erschien. Er verbeugte sich hastig mehrmals und warf Rashid dabei einen ängstlichen Blick zu. »Mahmud, geleite unseren Gast zur Tür.«
Rashid ging. Und während er den Flur entlangging und sich von dem Diener zur Tür führen ließ, war ihm, als ob er schweben würde. Seine Füße schienen kaum den Boden zu berühren. Er hatte sie wiedergesehen. Anne. Welch ein Name. Er hatte mit ihr gesprochen. Sie hatte ihm ihr unvergleichliches Lächeln geschenkt. Er würde sie schon morgen wiedersehen. Und das Wissen des Kaufmannes über den christlichen Prediger gab ihm mehr als genug Gründe, in der nächsten Zeit täglich wiederzukommen.
»Ihr seid wohl von allen guten Geistern verlassen?«, rief Anselmo, kaum dass sich die Tür hinter dem Janitscharen geschlossen hatte. Vor Zorn war er weiß im Gesicht. »Was fällt Euch ein, diesem Kerl alles zu erzählen? Ebenso gut hättet Ihr gleich Eure ganze Lebensgeschichte vor ihm ausbreiten können.«
Cosimo verdrehte die Augen und warf Anne einen vielsagenden Blick zu. Anselmo lief durch das Zimmer wie ein wütendes Raubtier.
»Anselmo, du weißt ganz genau, dass ich ihm nicht alles erzählt habe.«
»Ah, stimmt. Ihr habt vergessen, das Elixier der Ewigkeit zu erwähnen. Warum lauft Ihr ihm nicht nach und berichtet ihm davon auch noch?«
»Anselmo!« Cosimos Stimme wurde schärfer. »Du hast nicht das Recht, so mit mir zu sprechen. Es gibt Entscheidungen , die du mir überlassen solltest.«
»Natürlich, hoher Herr. Aber leider bringen diese Entscheidungen nicht nur Euch auf das Schafott. Wenn Ihr gehenkt werdet, stehe nämlich ich an Eurer Seite.«
»Anselmo, du übertreibst.«
»Ich übertreibe?« Anselmos Augen sprühten Funken. »Was glaubt Ihr wohl, was dieser Kerl tun wird, wenn er in seine Kaserne zurückkehrt? Er wird seinem Hauptmann von einem italienischen Kaufmann berichten, einem Kaufmann, der Pater Giacomo kennt. Der ihn vielleicht sogar so gut kennt, dass er mit ihm gemeinsame
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