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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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– anfangs waren sie langsam und schwerfällig, doch sie wurden zunehmend schneller.
    Natürlich, es war doch ganz einfach. Wenn der Statthalter von den beiden Mädchen erfuhr, würde er die Janitscharen dafür verantwortlich machen. Er würde Ibrahim, Omar und alle anderen Kochmeister zu sich zitieren. Vielleicht würde er sogar Suleiman dem Prächtigen davon berichten, und der Sultan würde sie gewiss alle bestrafen. Aber was hätte Rashid davon, wenn der Prächtige den Janitscharen ihren Sold kürzte oder die Feierlichkeiten anlässlich des Ramadans ausfallen mussten ? Er war schließlich selbst ein Janitschar. Wenn er sich jedoch bereits von den Janitscharen losgesagt hatte, konnte es ihm egal sein.
    Yussuf wurde warm, und seine Wangen begannen zu glühen . Ibrahim hatte bei der großen Inspektion nach einem Verräter gesucht, einem, der in Wahrheit ein Anhänger dieses christlichen Predigers war, nach dem sie bereits die ganze Stadt abgesucht hatten. Er war zu Rashid sogar besonders streng gewesen . Hatte Ibrahim etwa bereits einen Verdacht gegen Rashid gehabt? War Rashid etwa der gesuchte Verräter?
    Yussuf rollte seinen Gebetsteppich zusammen und legte ihn sorgsam auf sein Bett. Der Gedanke gefiel ihm nicht, aber es musste so sein. Rashid war ein Anhänger dieses aufrührerischen Predigers. Weshalb hatte er sonst die beiden Mädchen so vehement verteidigt? Weshalb war er den Christen gegenüber so rücksichtsvoll? Weshalb sah man ihn in der letzten Zeit so selten beim Bad oder in der Moschee? Weil er nicht mehr zu ihnen gehörte. Weil er ein Christ geworden war. Und um den Janitscharen zu schaden, lief er in diesem Augenblick zum Statthalter, um Yussuf, der bislang sein bester Freund gewesen war, zu verraten. Dann würde Suleimans Zorn über die Janitscharen hereinbrechen. Vielleicht würde man ihnen sogar die Waffen wegnehmen. Und dieser Prediger hatte einen Feind weniger. Ja, es passte alles zusammen.
    Er schluckte. Was er jetzt tun musste, missfiel ihm, aber er hatte keine andere Wahl. Er musste zu Omar gehen und ihm alles berichten. Jetzt gleich, damit sie handeln konnten, bevor es zu spät war.
    Als Yussuf Omar in seinem Zimmer aufsuchte, war er nicht allein. Ibrahim war bei ihm. Anfangs war Yussuf das gar nicht recht, denn der Meister der Suppenschüssel flößte ihm stets Respekt und sogar ein wenig Angst ein. Aber schließlich dachte er, dass es wohl von Allah so gewollt war. Auf diese Weise brauchte er seine Geschichte wenigstens nur ein einziges Mal zu erzählen.
    Ibrahim und Omar hörten ihm schweigend zu, wie er von seinem Verdacht und seinen Schlussfolgerungen berichtete. Von den beiden kleinen Mädchen erzählte er nichts. Omar und Ibrahim sollten nicht den Eindruck gewinnen, dass er sich nur an Rashid rächen wollte. Stattdessen berichtete er ihnen von heimlichen Besuchen bei Christen, die Rashid in den vergangenen Wochen unternommen hätte. Hatte nicht Rashid vor, ihn, seinen besten Freund, und alle Janitscharen zu verraten ? Was spielte es da für eine Rolle, dass er eine Geschichte erfand, von der er ohnehin überzeugt war, dass sie der Wahrheit entsprach oder doch wenigstens nahe kam?
    Als Yussuf mit seiner Schilderung fertig war, herrschte Stille im Raum.
    »Yussuf«, sagte Omar schließlich, und seine Stimme klang ernst, aber keineswegs unfreundlich. »Du kennst das ungeschriebene Gesetz, dass Janitscharen einander nicht verraten. Außerdem sind die Anschuldigungen, die du gegen Rashid vorbringst, überaus schwerwiegend. Wenn du die Wahrheit sprichst, ist Rashid ein Feind der Janitscharen und somit ein Feind unseres erhabenen Sultans selbst. Dir ist gewiss bekannt , welche Strafe auf Verrat steht. Du und Rashid seid von Kindesbeinen an Freunde. Deshalb frage ich dich: Bist du dir ganz sicher?«
    Yussuf schluckte. Er sah Rashids Gesicht vor sich, sein Lachen . Doch dann sah er vor seinem geistigen Auge, wie Rashid gerade in diesem Moment vor dem Statthalter stand, um ihm zu erzählen, was Yussuf den beiden Mädchen angetan hatte.
    »Ja«, antwortete er, »ich bin mir sicher, Kochmeister. Wäre ich das nicht, hätte ich mich nicht an Euch gewandt.«
    Ibrahim und Omar tauschten Blicke.
    »Gestern Abend war Rashid erst sehr spät im Schlafsaal«, sagte Omar. »Im Grunde genommen viel zu spät. Weißt du, wo er gewesen ist?«
    Yussuf schüttelte den Kopf. »Nein. Da er Stroh im Haar hatte, nahm ich an, er sei im Stall gewesen. Er ist oft bei den Pferden. Aber …« Er zuckte mit den Schultern.

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